Kommentar |
Der „russische Gedanke“ war schon immer in den Grenzbereichen zwischen Literatur und Kunst besonders produktiv, derweil ihm das Interesse an Begriffs- und Systembildung wie auch an kritischer Analyse weitgehend fehlte. Man könnte sagen, dass autochthones russisches Denken eher dem intuitiven Akt freien Philosophierens verpflichtet ist als dem rationalen Rigorismus der Schulphilosophie; und außerdem, dass Philosophie in Russland – seit jeher und noch heute – interdisziplinär positioniert und engagiert ist zwischen Kunst, Religion und Politik.
Russisches Philosophieren fasziniert häufig, weil es sich nicht wie üblich in akademischen Abhandlungen und system- oder schulbildenden Werken niederschlägt, sondern in Textsorten wie dem Presseartikel, der Glosse, der Rezension, dem Essay, dem Tagebuch oder aber – und vor allem anderen – in literarischen Darbietungsformen wie dem Roman, der Erzählung, dem Drama, dem Aphorismus, dem philosophischen Gedicht. Als die großen, ja die größten „Philosophen“ Russlands haben denn auch Autoren wie Nikolaj Gogol, Fjodor Dostojewskij, Lew Tolstoj, Anton Tschechow u.a.m. zu gelten, wohingegen die russische Universitätsphilosophie tatsächlich als ein „ephemeres“ Phänomen zu betrachten ist. |