Seit Anbeginn der Industrialisierung stellt sich für das Management von Unternehmen die kapitalismusspezifische Frage: Wie kann ich so viel Arbeit wie möglich aus den Angestellten herausholen? Mit anderen Worten:wie kriegt ein Unternehmen soviel wie möglich 'tatsächliche Arbeit' aus der - auf dem Arbeitsmarkt gekauften - 'Arbeitskraft'? Dies wird gemeinhin als sogenanntes "Transformationsproblem" bezeichnet.
Der Schlüssel zu diesem Problem liegt in der Kontrolle von Arbeit. Je weitreichender die Arbeitsweise der Lohnabhängigen durch das Management kontrolliert werden kann, desto mehr tatsächliche Arbeit lässt sich aus der gekauften Arbeitskraft erzielen. Widerständigkeit der Lohnabhängigen bezieht sich demnach meistens darauf, sich dieser Kontrolle zu entziehen.
Aber dieses Wechselspiel von Kontrolle und Entzug hat sich mit der Entwicklung des Kapitalismus grundlegend verändert: Während im Europa des frühen 20. Jahrhunderts das Fließband und autoritäre Vorarbeiter den Arbeitsrhythmus von Fabrikarbeitern diktierten, traten später Großraumbüros und Teamarbeit an ihre Stelle. Heute sind wir es, die uns im Home Office selbst kontrollieren. Wir wollen diese Entwicklung gemeinsam nachvollziehen und uns dabei mit der Frage nach Macht, Herrschaft und Widerstand in der sozialen Sphäre der Arbeit beschäftigen.
Während wir uns in den ersten beiden Teilen des Tutoriums mit bereits existierender Theorie und Forschung zu dem Thema auseinandersetzen wollen, wird der dritte Teil einer kurzen empirischen autoethnografischen Projektphase gewidmet sein, in der die Teilnehmenden nach Möglichkeit ihren eigenen (oder einen ihnen nahestehenden) Arbeitsplatz untersuchen. Auch nicht-entlohnte Tätigkeiten können untersucht werden. Am Ende gibt es die Möglichkeit zur Veröffentlichung der Ergebnisse!
Die Teilnahme von Studierenden unterschiedlicher Fachrichtungen ist explizit erwünscht! Die Bereitschaft, wissenschaftliche Texte auf Englisch zu lesen, wird vorausgesetzt.
Boltanski, L. and Chiapello, E. (2005). The New Spirit of Capitalism. Verso.
Braverman, H. (1974). Labor and Monopoly Capital: The Degradation of Work in the Twentieth Century. Monthly Review Press.
Burawoy, M. (1979). Manufacturing Consent: Changes in the labor process under monopoly capi- talism. University of Chicago Press.
Federici, S. (1975). Wages Against Housework. Falling Wall Press [for] the Power of Women Collective.
Foucault, M. (1982). The Subject and Power. Critical Inquiry, 8(4):pp.777 - 795.
Lukes, S. (2005). Power, Second Edition: A Radical View. Palgrave Macmillan.
Marrs, K. (2010). Kontrolle von Arbeit: Herrschaft und Kontrolle in der Arbeit. In Böhle, F., Voß, G., and Wachtler, G., editors, Handbuch der Arbeitssoziologie, pages 331 - 356. VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Weeks, K. (2011). The Problem with Work: Feminism, Marxism, Antiwork Politics, and Postwork Imaginaries. a John Hope Franklin Center Book. Duke University Press.