Kommentar |
Ziel des Seminars ist die medienwissenschaftliche Erschließung der russisch-sowjetischen 1920er und 1930er Jahre, eines Zeitraums also, der schon länger im Fokus slawistischer Literatur- und Kulturwissenschaft steht und – wie nur wenig andere historische Einschnitte – tiefgreifende Diskussionen über den Stellenwert der „Kunst“ im politischen Kontext nach sich zog. So stellte etwa Boris Groys („Gesamtkunstwerk Stalin“) die Unschuld der künstlerischen Avantgarde angesichts der totalitären Gewalt stalinistischer Kultur in Frage, während Vladimir Papernyjs semiotisch argumentierende Analyse der beiden gegensätzlichen ‚Stil-Kulturen‘ an der Schwelle der Dekaden („Kul’tura dva“) bewusst wertende Kriterien vermeidet. Nicht nur in diesen beiden Grundlagentexten lassen sich gerade anhand der Vielfalt hier vertretener künstlerischer Formate – das Spektrum reicht von der Architektur über literarische Texte, visueller Kunst (bes. Fotografie und Film) bis hin zur Musik und Tonkunst – auch diverse Fragen und Positionen der Medienwissenschaft erörtern. In mehreren einführenden Sitzungen werden einzelne Medientheorien besprochen, die uns erlauben sollen, 1) ein methodisches Begriffsinstrumentarium zu entfalten, das den medialen Aspekten der Epoche/n gerecht wird, und 2) einen spezifischen Blick für die Analyse konkreter Arbeiten zu entwickeln. Ob Schriftlichkeit vs. Mündlichkeit, Medienspezifik vs. Mediensynthetik, Horizontalität vs. Vertikalität, Dialogizität vs. Monologizität, Ästhetik vs. Politik usw. – stets operieren die zentralen semantischen Oppositionen der Medienkulturen der russisch-sowjetischen 1920er und 1930er Jahre im Grenzbereich zu Wahrnehmungs- und Zeichentheorien einerseits und zur politischen Theorie andererseits. |