Kommentar |
Das Alte Russland hat Konjunktur. In zeitgenössischen literarischen Texten und Filmen finden sich prominente Bezüge auf politische und kulturelle Phänomene vornehmlich aus dem 16. und 17. Jahrhundert, die von Autoritativität auf der einen und Orientierungsverlust auf der anderen Seite gezeichnet sind. In häufig expliziten Darstellungen repressiver Machtstrukturen verhandeln diese Werke nicht zuletzt die affirmative bis subversive Rolle der Künste bei der Etablierung und Konservierung staatlicher sowie nationalkultureller Strukturen. Zeitgenössische Autoren schreiben sich dabei in bestehende Traditionen der Relationierung von Kunst und Politik ein, zu denen schon immer auch eine Thematisierung und Transformation vorangegangener Epochen gehört hat. Herrschaftsdarstellungen haben daher einen meta-künstlerischen bzw. meta-symbolischen Charakter. Sie problematisieren die Wirkungsmächtigkeit künstlerischer Prozesse in Angesicht einer politisch bis autoritativ überbordenden Wirklichkeit.
Anhand eines Close Readings jeweils zweier literarischer Texte, "Den' Opričnika" (2006) von Vladimir Sorokin und "Lavr" (2012) von Evgenij Vodolazkin, und Filme, "Car'" (2009) von Pavel Lungin und "Leviafan" (2014) von Andrej Zvjaginzev, sowie relevanter Referenzwerke werden 'rus'ifizierende' Verflechtungen von Kunst, Religion und Politik beobachtet und Grundfragen der Text- und Filmanalyse verhandelt. Die Teilnehmenden erwerben Kompetenzen in der historischen Einordnung künstlerischer Prozesse und ein Grundwissen zum systemisch autonomen bis heteronomen Charakter der Künste. Sie erhalten eine Einführung in Gattungsfragen sowie künstlerische Strukturmuster und erarbeiten sich Analysekompetenzen in medien- und materialitätstheoretischen Fragen.
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