Kommentar |
Müßiggang und Faulheit werden vor allem in der Neuzeit mit Unproduktivität gleichgesetzt und gesellschaftlich wie moralisch unter Bann gestellt; industrielle Revolution und bürgerlicher Geist sehen in ihnen nur eine Gefahr für den Fortschritt und das allgemeine Glück. Die gewinnbringende Aktivität und mit ihr die produktive Arbeit beginnen dagegen ihren Siegeszug in einer von Geld bestimmten Welt und werden zur herrschenden Ideologie, in der kein Platz ist für kontemplatives Leben. Obwohl schon der Theologe Thomas von Aquin vor acht Jahrhunderten die übertriebene Arbeitslust für eine Folge ungewöhnlicher Trägheit hielt, nämlich der Trägheit des Herzens, den im Menschen angelegten göttlichen Gedanken zu entwickeln. Wie es eine Tradition innerhalb der Literatur und der gesamten Geistesgeschichte gibt, in der die Notwendigkeit der harten Arbeit als menschliche Tugend betont wird, existiert daneben eine viel ältere Tradition quer durch alle Literaturgattungen, in der dem Müßiggang und der Faulheit gehuldigt wird. Seit der Antike bedeutete Müßiggang Freiheit, eine Freiheit, die die griechischen Philosophen im Sinn hatten, als sie jede Form der körperlichen Arbeit ablehnten, um frei zu sein für ein selbst bestimmtes, kontemplatives Leben, das sich zum Ziel die Vervollkommnung des eigenen verantwortungsbewussten Selbst, des wahren Mensch-Seins im Sinne einer aufgeklärten und humanistischen Philosophie setzte. Und bedeutete mehr noch Glück und Lebenslust. Das SE will dieser Tradition an ausgesuchten Beispielen, die bis heute in den verschiedensten Literaturgattungen und Figuren lebendig geblieben ist, nachforschen und untersuchen, welche Idee eines glücklichen Lebens sich hinter dem jeweiligen Konzept von Müßiggang und Faulheit verbirgt und ob sich daraus ein utopischer Gegenentwurf zur gesellschaftlichen Realität ablesen lässt. |