Kommentar |
In den vergangenen Jahren häufen sich Berichte über die Arbeitsbedingungen von europäischen Arbeitsmigrant_innen und Wanderarbeiter_innen. Viele Bulgar_innen und Rumän_innen arbeiten für Billiglöhne auf Baustellen oder in Fleischfabriken, viele formal hochqualifizierte Südeuropäer_innen werden durch Tätigkeiten im Gastronomiebereich oder in Privathaushalten dequalifiziert. Es zeigt sich: Die Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeitsmigrant_innen sind prekär, auch weil sie kaum Arbeitsschutz genießen und durch ausbleibende Lohnzahlungen werden die Reproduktionskosten häufig unter das Existenzminimum gedrückt. Die durch kämpferische Streiks, solidarische Aktionen und engagierte Journalist_innen öffentlich gemachten Skandale sind Ausdruck der spezifischen Ausbeutung von Migrant_innen auf dem Arbeitsmarkt.
Diesen Spezifika wollen wir uns im Tutorium zuwenden und dabei nicht nur fragen, wie der Arbeitsmarkt auf die Anwesenheit von Migrant_innen reagiert, sondern auch, inwiefern die alltäglich stattfindenden Kämpfe der betreffenden Migrant_innen den Konflikt zwischen Kapital und Arbeit zuspitzen können, also selbst auf den Arbeitsmarkt und Klassenverhältnisse rückwirken. Unsere Leitfrage lautet: In welchem Zusammenhang steht die „neue Migration“ mit Entwicklungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt? Mittels eigener kleiner Forschungsprojekte werden die Teilnehmenden zur Beantwortung dieser Frage einen Beitrag leisten.
Als theoretische Zugänge dienen ebenso Konzepte aus der kritischen Migrationsforschung wie marxistische Grundlagen. So werden wir uns Begriffe wie Migrationsregime, aber auch den Begriff der Klassenzusammensetzung sowie historisch fundierte Überlegungen zum Verhältnis von Migration und Klassengesellschaft erschließen. Mit den entwickelten Analysekategorien betrachten wir anschließend den Themenkomplex Migrationsregime und Arbeit.
Daran anknüpfend wenden wir uns der „neuen Migration“ zu. Wir wollen fragen, was die „neuen“ Migrant_innen eint − und was sie trennt. Anhand aktueller Beispiele aus verschiedenen Sektoren der Arbeitswelt bestimmen wir gemeinsam den weiteren Untersuchungsfokus des Seminars. Die Teilnehmenden entwickeln eigene Fragestellungen. Welche Methoden zur Beantwortung der Fragen geeignet sind, werden wir gemeinsam herausfinden. Die Ergebnisse wollen wir in Bezug setzen zu den Diskussionssträngen, die im Q-Tutorium „Was ist neu an ,neuer Migration‘?“ im Sommersemester 2014 verfolgt wurden. |
Literatur |
Bojadzijev, Manuela 2009: Rassismus und Migration in der marxistischen Klassenanalyse. In: Bescherer, Peter/Schierhorn, Karen (Hg.): Hello Marx. Zwischen „Arbeiterfrage“ und sozialer Bewegung heute. VSA: Hamburg, 132-144
Friedrich, Sebastian/Pierdicca, Marika 2014: Migration und Verwertung. Rassismus als Instrument zur Segmentierung des Arbeitsmarktes, in: Tölle, Hartmut/Schreiner, Patrick 2014: Migration und Arbeit in Europa. Köln: PapyRossa, 125-138.
Hess, Sabine 2011: Welcome to the Container. Zur wissenschaftlichen Konstruktion der Einwande-rung als Problem, in: Friedrich, Sebastian (Hg.), Rassismus in der Leistungsgesellschaft. Analysen und kritische Perspektiven zu den rassistischen Normalisierungsprozessen der ,Sarrazindebatte‘. Münster: edition assemblage, 40–54.
Schoenes, Katharina/ Schultes, Hannah 2014: Was ist neu an „neuer Migration“? Ein Werkstattbericht, in: DISS-Journal 28, Zeitschrift des Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung. Online unter http://www.diss-duisburg.de/2014/11/was-ist-neu-an-neuer-migration/ |