Kommentar |
Fernab von reiner Ästhetik werden wir zum einen über die möglichen Funktionen der Literatur für die Gesellschaft sprechen. Zum anderen stellt sich bei der Fülle des zur Verfügung stehenden Materials die Frage, wie die Sozialwissenschaft, wenn sie auf die Semantik der Gesellschaft zurückgreifen und daraus Erkenntnisse gewinnen möchte, einen Zugang zur Literatur finden, daraus selektieren und mit diesen Texten umgehen kann. Die Karrieren der linguistischen Wende und des Paradigmas der Postmoderne im vergangenen Jahrhundert haben zwar dazu geführt, dass die Philosophie und die Sozialwissenschaft für Sprache, Textualität und Kommunikation und die mit ihnen verbundenen Phänomene, Schwierigkeiten und Möglichkeiten sensibilisiert wurden. Allerdings ist die Beantwortung der Frage, was das methodisch für die Sozialwissenschaft bedeutet, bisher unklar. Das Projekttutorium möchte daher verschiedene theoretische Konzeptionen des Verhältnisses von Gesellschaft und Literatur erarbeiten und unterschiedliche methodische Zugänge zur Literatur an Beispielen ausprobieren. Hierbei geht es im ersten Semester weniger darum, einen konzisen theoretischen Rahmen zu entwickeln, als vielmehr unterschiedliche theoretische Entscheidungen auszuprobieren und ihre Folgen zu beobachten. Kritische Theorie, Hermeneutik, Dekonstruktion, Kultursoziologie oder Systemtheorie konstruieren einen je ganz eigenen Gegenstand und führen zu jeweils verschiedenen Antworten auf unsere Ausgangsfrage. Besonders eingehend werden wir uns mit der Bourdieu'schen Literatursoziologie auf der einen, und der systemtheoretischen Literaturwissenschaft auf der anderen Seite beschäftigen. Im zweiten Semester wird es neben einzelnen Themen wie Autorschaft, Ironie, literarische Emergenz in den neuen Medien und der Literatur in der Weltgesellschaft vor allem um die Dramatik (Absurdes, Dokumentarisches und politisches Gegenwartstheater) gehen. Da die theoretisch-methodischen Texte mit literarischen Beispielen verknüpft werden (über die Beispiele werden wir in der ersten Sitzung reden), sollten die Teilnehmer_innen eine ausgeprägte Leselust aufweisen. Insgesamt gibt es viele Möglichkeiten, eigene Interessen und Ambitionen (hinsichtlich Textauswahl, Sitzungsgestaltung, etc.) in die Veranstaltung einzubringen. Das Tutorium richtet sich an Sozialwissenschaftler_innen wie an Literatur- und Kulturwissenschaftler_innen und Philosoph_innen. |
Literatur |
Zur Anschaffung empfohlen: Kimmich, Dorothee; Renner, Rolf Günter; Stiegler, Bernd (Hg.) (2008): Texte zur Literaturtheorie der Gegenwart. Stuttgart: Reclam. Lektüre: Adorno, Theodor W. (1981): Ästhetische Theorie. 5. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Berg, Henk de; Prangel, Matthias (Hg.) (1995): Differenzen. Systemtheorie zwischen Dekonstruktion und Konstruktivismus. Tübingen: Francke. Bourdieu, Pierre (2001 [1999]): Die Regeln der Kunst. Genese und Struktur des literarischen Feldes. 1. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Derrida, Jacques (1999): Die Différance. In: Jacques Derrida (Hg.): Rundgänge der Philosophie. Hrsg. von Peter Engelmann. Wien: Passagen, S. 31–56. Luhmann, Niklas (Hg.) (2008): Schriften zu Kunst und Literatur. Herausgegeben von Niels Werber. 1. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp (1872). Lyotard, Jean-François (1986): Das postmoderne Wissen. Ein Bericht. Graz /Wien: Böhlau (Edition Passagen, 7). Wihstutz, Benjamin (2012): Der andere Raum. Politiken sozialer Grenzverhandlung im Gegenwartstheater. 1. Aufl. Zürich-Berlin: diaphanes. |