Kommentar |
Blockseminar 7. – 11. April 2025, 10 – 16 Uhr
Ernst Cassirer gehört neben Georg Simmel zu den Begründern der Kulturphilosophie im 20. Jahrhundert. Wenn Cassirer seine Philosophie der symbolischen Formen an Kant anschließt, dann ist für ihn entscheidend, dass kritische Philosophie nicht mehr nach dem Sein gegebener Objekte fragt, sondern danach, was wir von ihnen wissen können, und sie trifft dabei auf die Selbsttätigkeit des Subjekts. Der Spontaneität der Vorstellungskraft, der "Synthesis" verdanken wir es, dass wir von den Gegenständen etwas wissen; die Grundfunktion der Erkenntnis ist darum nicht abbildend, sondern "urbildend". Zugleich bemerkt Cassirer, dass die transzendentale Analytik gar nicht die Pluralität von Bewusstseinsformen zum Thema hat, sondern nur die Erkenntnisform selbst. Dort geht es um einen Gegenstand, der rein logisch bestimmt ist: "Er bezeichnet daher nicht alle Objektivität schlechthin, sondern nur jene Form der objektiven Gesetzlichkeit, die sich in den Grundbegriffen der Wissenschaft, insbesondere in den Begriffen und Grundsätzen der mathematischen Physik fassen und darstellen lässt."
Beeinflusst ist die Philosophie der symbolischen Formen auch durch die Sprachphilosophie Wilhelm von Humboldts, die entschieden das Abbildmodell von Sprache verabschiedet. Die sprachlichen Zeichen bilden die Dinge nicht ab, sondern konstituieren Gegenstände und erzeugen Bedeutung. Cassirer folgt Humboldt in der Auslegung von Sprache als Selbsttätigkeit des Geistes, ohne dessen Sprachdeterminismus zu übernehmen. So kann er die ausschließliche Bindung des Denkens an die Lautsprache lösen und die Verknüpfung von Zeichen und Bedeutung auf andere Modi des Symbolischen übertragen: "Was hier von der Welt der Sprachlaute gesagt ist, das gilt nicht minder von jeder in sich geschlossenen Welt von Bildern und Zeichen, also auch von der mythischen, der religiösen, der künstlerischen Welt." Damit ist das Programm einer Kulturphilosophie formuliert: Nicht mehr Kritik der Vernunft, sondern Kritik der Kultur.
Im Seminar wollen wir zunächst die Kap. I-VI aus Cassirers „Versuch über den Menschen“ lesen und dann kursorisch die symbolischen Grundformen (Mythos, Sprache, Wissenschaft) diskutieren. Seminarplan und Materialien auf Moodle.
Vorausgesetzt ist die Bereitschaft, ein Referat zu übernehmen. Bitte melden Sie sich bis zum 28. Februar an: heisejen@hu-berlin.de.
Zur Einstimmung:
Heinz Paetzold, Ernst Cassirer zur Einführung. Junius Verlag.
Oswald Schwemmer, Ernst Cassirer. Ein Philosoph der europäischen Moderne. Akademie Verlag.
Guido Kreis, Cassirer und die Formen des Geistes. Suhrkamp Verlag. |