Kommentar |
Im Seminar lesen wir drei Bücher und ggf. zusätzliche Texte: Wir beginnen ausführlich mit der Studie von Wimbauer/Motakef (2020): Prekäre Arbeit, Prekäre Liebe. Über Anerkennung und unsichere Lebensverhältnisse. Theoretischer Ausgangspunkt des Buches ist die grundlegende Verletzbarkeit allen menschlichen Lebens und ein erweitertes, geschlechtersensibles Konzept von Prekarisierung im Lebenszusammenhang. Dieses umfasst prekäre Erwerbsarbeit, Paar- und Nahbeziehungen, Liebe, Sorge, Anerkennung, Geschlechterverhältnisse, Teilhabe, Gesundheit, Wohnen, Zukunftsperspektiven. Die Studie rückt Paare und Menschen ohne Paarbeziehungen ins Zentrum und analysiert aus einer subjektorientierten Perspektive Anerkennungsdefizite im gesamten Lebenszusammenhang der Befragten. Im Zentrum stehen Geschlechterungleichheiten, die sich in den prekären Arbeits- und Lebenszusammenhängen zeigen. Zuletzt werden umfassende, geschlechtersensible Politiken der Ent_prekarisierung vorgestellt, die auf die Wiederabsicherung prekärer Lebensbedingungen abzielen, und zugleich unterdrückende (Geschlechter-)Normen entsichern möchte. Es schließt sich die Lektüre des Buches von Gabriele Winker (2021): Solidarische Care-Ökonomie. Revolutionäre Realpolitik für Care und Klima an, welches aus einer feministischen materialistischen Perspektive die Gefährdung von Sorgebeziehungen, von menschlichen und von ökologischen Ressourcen in den Blick nimmt und eine geschlechtersensible „Care Revolution“ als gesellschaftliche Transformationsstrategie vorschlägt. Zuletzt beschäftigen wir uns mit dem Buch von Frauke Rostalski (2024): Die vulnerable Gesellschaft. Die neue Verletzlichkeit als Herausforderung der Freiheit. Ihre These ist, „dass immer dann, wenn der Staat mit seinen Mitteln dafür sorgt, Vulnerable zu schützen, Freiheit auf allen Seiten verloren geht – nicht bloß bei denjenigen, die zu den jeweils 'Stärkeren' gehören. Alle verlieren Freiheit, auch die Vulnerablen, sobald der Staat eingreift.“ (S. 11). Wir diskutieren die Annahmen und Folgerungen auch dieses Buches kritisch. Am Ende versuchen wir, die Argumente aller drei Bücher nebeneinander zu stellen und ihre Stärken und Blindstellen, ihre soziologische Erklärungs- und Überzeugungskraft abzuwägen – aus geschlechtersensibler, theoretischer und nicht zuletzt aus sozialtheoretischer Perspektive. |