Der Atombombenabwurf auf Japan im Jahr 1945 jährt sich zum 80. Mal. Heute ist die Aufarbeitung dieser Atomkatastrophe ein Thema für die transnationalen Memory Studies und die dekolonialen Studien, die sich mit der kulturellen Aneignung der Katastrophe befassen. Ein prominentes Beispiel solcher Aneignung ist Marguerite Duras‘ und Alain Resnais‘ Film-Opus Hiroshima mon Amour (1959); inmitten der Hegemonie der USA in der Nachkriegszeit wurde die japanisch-französische Koproduktion zum Aushängeschild der künstlerischen und psychoanalytischen Antwort auf Hiroshima - in der westlichen Welt. Das Seminar beginnt mit einer Analyse der problematischen Überblendungen sowie Exotisierungen, die der Film auf dem „common ground“ der „universellen Faktoren“ Erotik, Liebe und Unglück vornimmt, und einer Sondierung des Ground Zero Hiroshima als Raum eurozentrischer Revelation. Es folgt ein Blick auf die (geopolitisch beeinflusste) akademische Kanonisierung von Hiroshima-Narrativen; im Anschluss werden andere Filme und literarische Manifestationen anvisiert, darunter Éroshima (1992) des haitianischen Autors Dany Laferrière. Die Film-Sektion des Seminars trifft sich mit der Ausrichtung des Internationalen Uranium-Festivals 2025, das vom 17. bis 30. Mai in Brasilien stattfindet. Wir werden zu Beginn des Semesters gemeinsam überlegen, wie wir das Festival aus der Ferne verfolgen und kommentieren. Die letzte Sektion des Seminars widmet sich weiteren transkulturellen ruinösen Ästhetiken (darunter frz.- und spanischsprachige Poesie), die sich mit der Geschichte, Gegenwart und Zukunft des Urans befassen und die mnemonische Unabgeschlossenheit des Atom-Komplexes belegen. Traumatisierte, ‚stigmatisierte‘ oder gar ‚toxische‘ Text- und Bild-Formen zeigen, dass die Atomfrage (und die Atom-Angst) dissoziiert oder negativ illuminiert. Hierunter fallen Phänomene wie Schwarzer Regen und andere Aspekte des „toxic war“; nicht zu vergessen die Langzeitfolge Atommüll. Das Seminar endet mit einem Vortrag der kolumbianischen Philosophin Rosa Sierra, die in Deutschland (wo die Atomdebatte in den 1950er Jahren von Heidegger und Ernst Bloch dominiert wurde) zu dieser Thematik forscht.
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