Der so genannte ‚Boom‘ der lateinamerikanischen Literatur (1960-1980) ist untrennbar verbunden mit der Rede vom ‚magischen Realismus‘ (die die ‚weltliterarische‘ Relevanz dieser Literatur nicht zuletzt marketingmäßig wesentlich beförderte). Dass dieser Begriff – jedenfalls in der von Alejo Carpentier geprägten Variante des real maravilloso (1949) – entstanden war unter Bezugnahme auf die Geschichte Haitis und also auf einen transkulturellen Raum, der wesentlich ‚afrikanisch‘ geprägt ist, wurde dabei jedoch nie hinreichend zur Kenntnis genommen: Bis heute gilt die Literatur des südlich vom Rio Grande gelegenen Amerikas generell als ‚lateinisch‘ und der Blick auf ihr afrikanisches Sub- oder Adstrat bleibt vom romanischen Superstrat weitgehend verstellt.
Wir wollen genau diesen Blick auf Literatur und Kultur Afrolatinoamerikas schärfen und dabei – ausgehend von einer (0) Neulektüre der ‚Klassiker‘ der spätmodernen lateinamerikanischen Erzählliteratur (‚Boom‘) – einen Schwerpunkt auf die (1) afrokaribischen, die (2) afrobrasilianischen und (3) ‚andere‘ afrolatinoamerikanische Erzählliteraturen der Gegenwart legen. Dabei soll abschließend auch die Tendenz zu Süd-Süd-Verbindungen berücksichtigt werden, die neuerdings in der afropäischen Literatur zu beobachten ist: etwa bei Mohamed Mbougar Sarr oder bei Igiaba Scego, die beide Argentinien in ihren Erzählkosmos einbeziehen (also ausgerechnet das Land, das sich bis heute als das ‚europäischste‘ Lateinamerikas begreift). Im Mittelpunkt wird dabei die ‚Methodenfrage‘ stehen, also der Versuch, gemeinsam ein kulturtheoretisch fundiertes Forschungsdesign für die literaturwissenschaftliche Arbeit zu entwerfen.
Zur Vorbereitung ist ein Blick in George Reid Andrews Afro-Latinoamérica 1800-2000, Madrid/FfM 2007 und/oder Michael Zeuskes Afro-latinidad e historia de las esclavitudes, Bielefeld 2024 empfohlen.
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