Kommentar |
Der polnische Schriftsteller Miron Białoszewski war ein literarischer Allrounder. Sein Debüt feierte er mit einem Lyrikband (Obroty rzeczy, 1956), während er gleichzeitig auf der eigenen Off-Bühne performative Experimente durchführte (Teatr na Tarczyńskiej, 1955-1958). In den 1970er Jahren wechselte er dann zur Prosa: Mit Pamiętnik z powstania warszawskiego legte er ein bahnbrechendes Zeugnis über den Warschauer Aufstand 1944 vor, in dem er mit literarischen Traditionen hinsichtlich dieses Ereignisses bricht. Bis zu seinem Tod schreibt Białoszewski Gedichte, in denen er poetologisch-experimentell arbeitet. Gleichzeitig übt er sich in der kurzen Prosaform, indem er Skizzen des sich verändernden Warschau vornimmt (Szumy, zlepy, ciągi, 1976).
In dieser poetisch dichten Biografie bleibt im Leben des Schriftstellers eine Konstante bestehen: sein Bezug zu Warschau. Białoszewski verbringt sein gesamtes Leben in der polnischen Hauptstadt, erlebt dort als junger Mann den Krieg und zwei Aufstände, gestaltet die dortige Kunst- und Kulturszene bis zu seinem Tod mit und dokumentiert gleichzeitig die urbanen Transformationen, die die Stadt während des Zweiten Weltkriegs und danach bis in die frühen 1980er Jahre durchlebt. Heute ist seine Ausnahmestellung als Autor unumstritten. Zu seinen Lebzeiten erlebte er, neben Momenten der Anerkennung, aufgrund seiner experimentellen Poetik und seiner sexuellen Orientierung auch Diskriminierung und räumliche Marginalisierung.
In diesem Seminar beschäftigen wir uns mit dem Werk Białoszewskis, lesen eine Auswahl seiner dramatischen, lyrischen und Prosatexte, analysieren und kontextualisieren sie. In einer viertägigen Exkursion nach Warschau, die uns an die Orte bringt, die Białoszewski beschrieb und an denen er schuf, begehen und erfahren wir gemeinsam das Warschau Białoszewskis, das seine Texte maßgeblich prägt und auch von seinem Schaffen geprägt wurde. Die Exkursion wird im Seminar vorbereitet und wird literarische Spaziergänge beinhalten, die die Teilnehmenden in Gruppen vorab konzipieren und in Warschau in Gruppen durchführen. Darüber hinaus besuchen Studierende Museen, einen Vortrag von Prof. Danuta Sosnowska zu experimenteller Literatur, ein Get-Together mit Studierenden der Universität Warschau und nehmen an einem City Walk durch das queere Warschau teil.
Das Seminar wird in einem Blended-Learning-Format umgesetzt. Es inkludiert Online- und Präsenz-Sitzungen sowie eine Exkursion vom 19.-22.6.2025. Polnischkenntnisse (v.a. Leseverständnis) sind von Vorteil, aber nicht zwingend notwendig. Texte, die nicht in einer deutschen oder englischen Übersetzung verfügbar sind, werden in Auszügen übersetzt zur Verfügung gestellt.
Die Exkursion nach Warschau findet in Kooperation mit der Universität Warschau statt. Die Durchführung der Exkursion wird gefördert von der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit. |