Kommentar |
Gruppe 1 & 2 Ariane Born: Astrid Lindgren – die Mutter der starken Mädchen in der Kinder- und Jugendliteratur
Astrid Lindgrens Bücher zählen heutzutage zu den unumstrittenen Klassikern der Kinder- und Jugendliteratur; in der Vergangenheit haben ihre Werke des Öfteren aber durchaus auch kontroverse literarische und pädagogische Debatten hervorgerufen. Das gilt insbesondere für Pippi Langstrumpf aber ebenso auch für Die Brüder Löwenherz; letzteres thematisiert als eines der ersten Kinder- und Jugendbücher die Auseinandersetzung mit dem Tod. Pippi Langstrumpf gilt als das stärkste, mutigste und unabhängigste Mädchen der Welt. Als diese ungewöhnliche Kinderfigur vor 80 Jahren die Bühne der Weltliteratur betrat, herrschte großer Mangel an starken Mädchen in der Kinder- und Jugendliteratur. Bis dahin waren kindliche Heldenfiguren meist groß, stark und in der Regel männlich. Pippi Langstrumpf von Astrid Lindgren gehörte somit zu den starken Mädchen der ersten Stunde. Betrachtet man die Darstellung von Weiblichkeit im Werk Lindgrens, dann wird deutlich, dass sie sich keineswegs nur auf einen Typus von Weiblichkeit beschränkt. Mit Ronja Räubertochter, ihrem letzten großen Kinderroman, hat Astrid Lindgren nochmals eine lebensfreudige, mutige, aber auch nachdenkliche Mädchenfigur ganz neuen Typs geschaffen. Im SE soll daher u. a. der Frage nachgegangen werden, wie Lindgren, selbst eine Frau, die kaum einem stereotypen Weiblichkeitsideal ihrer Zeit entsprach, literarische Weiblichkeit darstellt. Neben Pippi Langstrumpf, deren fröhliches, emanzipatorisches Potenzial wegweisend für die Kinderliteratur war, machten Astrid Lindgren aber auch ihre Geschichten aus Bullerbü, von der Insel Saltkrokan oder von Alltagshelden wie Kalle Blomquist und Michel aus Lönneberga zu der bis heute bekanntesten Kinder- und Jugendbuchautorin der Welt. Daher werden in der Seminardiskussion zahlreiche Facetten von Lindgrens Œuvre fokussiert; die Darstellung von idyllischen, heilen Kinderwelten tritt bei Lindgren neben die Thematisierung von Einsamkeit und Trauer – Gefühle, mit denen die Autorin ihre kindlichen Figuren ebenso wie ihre Leser:innen konfrontiert. Die Lehrveranstaltung wird sich in intensiver Lektüre und vor allem in lebendiger und kritischer Auseinandersetzung dem kinderliterarischen Werk Astrid Lindgrens widmen.
Von den Seminarteilnehmer:innen wird eine engagierte Mitarbeit erwartet. Das schließt sowohl (mündliche) Beiträge in den Sitzungen selbst als auch eine zuverlässige Vor- und Nachbereitung der jeweiligen Themeneinheiten, insbesondere die vorbereitende Lektüre, ein. Ebenso wird die termingerechte Erledigung der semesterbegleitenden Übungsaufgaben vorausgesetzt.
Gruppe 3 Ada Bieber: Kinderliteratur und die Kinderrechte
Die UN-Kinderrechtskonvention wurde 1989 von den Vereinten Nationen verabschiedet und geht zurück auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die nach dem Zweiten Weltkrieg formuliert wurden. Inhaltlich gehen die Kinderrechte in vielen Punkten zurück auf den Kinderarzt, Pädagogen und Schriftsteller Janusz Korczak, der in seinen Schriften für Kinder und Erwachsene für eine uneingeschränkte Achtung der Persönlichkeit des Kindes plädiert. Korczak setzte viele der Kinderrechte in seinem jüdischen Waisenhaus um bevor er mit den Kindern in seiner Obhut von den Nationalsozialisten deportiert und umgebracht wurde. Sowohl in Korczak kinderliterarischen Schriften als auch in internationalen kinderliterarischen Texten wurden Kinderrechte seither immer wieder thematisiert, zB. indem auf Ausbeutung, Missbrauch und Schutzlosigkeit von Kindern aufmerksam gemacht wird oder auch indem Kinder durch Literatur auf Ihre Rechte aufmerksam gemacht werden und ermutigt werden, für sich selbst einzustehen. Dieses Seminar setzt sich mit der Thematisierung unterschiedlicher Kinderrechte in unterschiedlichen Gattungen und Medien der internationalen Kinderliteratur auseinander: von Korczaks über Brecht bis hin zu aktuellen Bilderbüchern. Die ausgewählten Werke werden exemplarisch analysiert. Angaben zu speziellen Arbeitsleistungen sowie konkrete Angaben zu den relevanten Lektüren erfolgen zu Semesterbeginn im SE.
Gruppe 4 Carmen Stange: Mit Katzen lesen lernen
Arglose Geißlein, listige Füchse, ängstliche Hasen oder erfolgreiche Rennschweine: Tierfiguren sind ein fester Bestandteil von Texten, die im Laufe der Literaturgeschichte der Kinderliteratur als kindgerecht beurteilt bzw. intentional für Kinder erschaffen wurden. Stets mit dabei sind Katzen bzw. Kater, sowohl bei den Anfängen in Fabeln zur Zeit der Aufklärung („Von dem Fuchs und der Katze“, „Von der Katze und dem Hahn“) oder während der Romantik in Märchen („Der gestiefelte Kater“, „Der arme Müllerbursche und das Kätzchen“) als auch in Kinderromanen des 20. und 21. Jahrhunderts (Simon und Desi Ruge: „Die Katze mit dem Hut“, Michael Ende: „Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch“). Doch nicht nur die Begegnung mit fiktionalen Katzen in literarischen Texten oder die Beschäftigung mit Sachbüchern ermöglicht Kindern das Festigen und Erweitern der Lesefähigkeit, sondern auch das Vorlesen für Katzen. Das preisgekrönte Projekt des Berliner Tierheims „Kinder lesen Katzen vor“ bietet Kindern im Alter von 7 bis 12 Jahren die Möglichkeit, in entspannter Atmosphäre ohne Erwachsene und in ihrem eigenen Tempo lesen zu üben und so ihre Lesefähigkeit zu verbessern. Gleichzeitig wirkt das Vorlesen auf Katzen beruhigend und stärkt deren Vertrauen in Menschen. Mensch und Tier profitieren voneinander. Im Rahmen des Seminars werden wir nicht nur gemeinsam das Tierheim Berlin besuchen, um das Projekt vor Ort kennenzulernen, sondern geeignete Literatur rund um Katzen zum Lesen und Vorlesen unter literaturgeschichtlichen, gattungssystematischen und forschungstheoretischen Aspekten miteinander analysieren und besprechen. Für das Gelingen der Lehrveranstaltung sind die regelmäßige Anwesenheit und aktive Mitarbeit notwendig. Grundlage dafür ist die Vorbereitung der Sitzungen durch die intensive Lektüre der ausgewählten Texte. Darüber hinaus soll eine Sitzung allein oder durch eine Arbeitsgruppe in besonderem Maße, z. B. unter Hinzuziehung einschlägiger Nachschlagewerke, Handbücher und Forschungsbeiträge, vorbereitet und die so gewonnenen Kenntnisse dem Seminar mündlich und schriftlich, z. B. in Form eines Handouts, zur Verfügung gestellt werden. Literatur: (zur Anschaffung und vorbereitenden Lektüre empfohlen) Ende, Michael: Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch. Stuttgart: Thienemann-Esslinger 2019; Ruge, Desi und Simon: Die Katze mit dem Hut. Illustriert von Reinhard Michl. Zürich: Atrium 2019.
Gruppe 5 Gudrun Weiland: Wie Aschenputtel seinen goldenen Schuh verlor – Varianten, Interpretationen, Adaptionen eines Märchens
Kaum ein Märchen scheint so bekannt wie „Aschenputtel“: Die gute Fee verwandelt einen Kürbis in eine Kutsche, Mäuse in Pferde und Aschenputtel fährt in gläsernen Pantoffeln zum Ball. Doch dies ist nur eine Version dieses vielgestaltigen Märchentyps, bekannt aus dem Trickfilm „Cinderella“ (1950) von Walt Disney, zurückgehend aber auf ein viel älteres Feenmärchen von Charles Perrault. Ausgehend von genauen Lektüren verschiedener Textfassungen aus der Grimmschen Sammlung der „Kinder- und Hausmärchen“ (1812 – 7. Aufl. 1857), Charles Perraults „Cendrillon“ (1697), Ludwig Bechsteins „Aschenbrödel“ (1845), Božena Němcovás „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ (ca. 1842-45) und Giambattista Basiles „Die Aschkatze“ (1636) werden Strukturen und Motive dieses ebenso bekannten wie unbekannten Märchentyps herausgearbeitet und analysiert. Dies schließt verschiedene teilweise antike Vorläufer ebenso ein wie die moderne kritische und parodistische Rezeption des Märchens bzw. einzelner Elemente wie in Anne Sextons „Cinderella“ (1971) oder Kerstin Hensels „Cinderella räumt auf“ (2021). Daran knüpfen sich weitere Fragen: Wie lassen sich Texte als Varianten eines Märchentyps rekonstruieren und historisch einordnen? Warum haben sich bestimmte Varianten international durchgesetzt? Wie lassen sich verschiedene Elemente des Märchentyps begründet interpretieren? Im SE werden Beiträge der vergleichenden und der strukturalistischen Märchenforschung ebenso diskutiert wie solche der psychoanalytischen Märchenforschung. Das SE führt damit am Beispiel des „Aschenputtel“ in literatur- und kulturwissenschaftliche Theorien und Methoden zur Untersuchung der Gattung „Märchen“ ein. Literatur: Wehse, Rainer: Cinderella. In: Brednich, Rolf Wilhelm u.a. (Hrsg.): Enzyklopädie des Märchens. Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden Erzählforschung. Band 3, Berlin 1981, S. 39-57.
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