„Wieso kann Kafka das nicht einfach direkt sagen?“, dürfte am Ende einer Deutschstunde schon hier und da genervt gefragt worden sein. „Tja,“ könnte man in dieser Situation dann einfach antworten, „weil sonst das Beste fehlen würde.“ Das stimmt natürlich, dürfte Schüler*innen aber nicht unmittelbar zufriedenstellen. Indirektheit ist in literarischen Texten regelmäßig zu erwarten und stellt ebenso regelmäßig eine Herausforderung für Lernende dar. Das Schwierige der Indirektheit als Bedeutungsschicht, die neben der primären Bedeutung besteht, führt zudem zu einigen problematischen Überzeugungen und Praktiken im Literaturunterricht. Zu ihnen gehört, dass Literatur ständig auf einen tieferen und verborgenen Sinn befragt wird – selbst dann, wenn ziemlich direkt geschrieben steht, was gemeint ist. Denn natürlich gibt es auch Stellen, deren Bedeutung nicht indirekt oder übertragen ist. Als geradezu paradigmatisch indirekt können dagegen die Metapher, das Symbol und die Ironie gelten. Im Seminar werden wir uns mit solchen Formen von Indirektheit beschäftigen. Dabei werden wir einerseits untersuchen, welche Herausforderungen und Probleme Indirektheit für den Literaturunterricht mit sich bringt. Zum anderen sollen die didaktischen Chancen von Indirektheit thematisiert werden, denn einige Formen, die für ihre Indirektheit bekannt sind, wie die Parabel, die Fabel und das Denkbild, gelten aus guten Gründen als „didaktische Gattungen“.
Spinner, Kaspar H. (2022): Symbolisches Verstehen als Kernkompetenz des poetischen Verstehens. In. Ders.: Literarisches Lernen. Stuttgart: Reclam, S. 142–163.
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