Kommentar |
In diesem Grundkurs werden wir uns zuerst mit der Frage ‚Was ist (die antike) Philosophie?‘ anhand ausgewählter Textstellen von den Vorsokratikern, von Platon und Aristoteles auseinandersetzen. Danach werden wir einen relativ untererforschten und doch extrem spannenden Dialog Platons, und zwar den Euthydemos, in Betracht ziehen. Im Euthydemos inszeniert Platon eine Parodie der Eristik, der sophistischen Kunst des "Wortgefechts", um gegnerische Thesen zu widerlegen, dargestellt durch die beiden Brüder Euthydemos und Dionysodoros. Platon, immer spöttisch gegenüber den Sophisten, macht diese Kunst lächerlich, durch die es unmöglich ist, die Wahrheit zu erkennen und somit etwas zu lehren oder zu lernen: Die Eristik beruht nämlich auf der Überzeugung, dass alle Aussagen den gleichen Wahrheitswert haben und dass Worte daher nicht verwendet werden können, um Wissen zu erlangen, sondern einfach nur, um mit anderen zu konkurrieren und sie zum Schweigen zu bringen, indem man eine These je nach Nutzen des Augenblicks unterstützt oder widerlegt.
Das Ziel von Platon im Euthydemos ist es erneut, Sokrates vor den Verleumdungen zu verteidigen, die gegen ihn erhoben wurden, indem er zeigt, wie sich der Lehrer im Denken und Handeln von den Sophisten unterscheidet, mit denen er gleichgesetzt wurde. Er baut daher den Dialog wie eine Komödie auf (mit einem Prolog, fünf Akten und einem Epilog), gibt ihm jedoch eine ernste Aufgabe, nämlich die höheren Schichten vor der Tücke der Sophisten zu warnen und vor denen, die wie Isokrates behaupten, durch das Unterrichten der Rhetorik tugendhafte Bürger bilden zu können. Dazu kommt noch Platons polemisches Interesse gegenüber anderen sokratischen Schulen, insbesondere der von Euklid von Megara, der beschuldigt wurde, seinerseits eristisch und daher weit entfernt von Sokrates' Lehre zu sein, als deren einziger legitimer Erbe sich Platon präsentiert. Aufgrund seiner argumentativen, sprachlichen und ‚dramaturgischen‘ Struktur stellt der Euthydemos einen sehr guten Einstieg in Platons Denkwelt dar und ermöglicht eine tiefe Einsicht darin, wie Platon seine philosophische Sprache in Abgrenzung zu anderen Diskursformen und Sprachgebräuchen gestaltet.
In dem Kurs werden wir die Texte übersetzen und sowohl in sprachlicher als auch in inhaltlicher Hinsicht erörtern. Der Kurs ist diskussionsorientiert und zielt darauf, einen freundlichen, kooperativen, lernfreudigen Rahmen für alle Teilnehmer*innen zu schaffen.
Eine vollständige Primär- und Sekundärliteraturliste wird in der ersten Seminarsitzung zur Verfügung gestellt. |