Kommentar |
In dieser Lehrveranstaltung werden wir uns mit Marsilio Ficinos ‚De vita libri tres' auseinandersetzen. Ficino (1433-1499) ist eine der spannendsten und einflussreichsten Figuren der Renaissance und gilt als Begründer des Renaissance-Platonismus. Er übersetzte im Auftrag Cosimo de Medicis die Hermes Trismegistos zugeschriebenen Schriften, die Werke Platons und Plotins sowie weitere spätantike und hermetische Schriften und ist Autor eines Kommentars zu Platons ‚Symposion‘, das zu den Meisterwerken der Renaissance-Philosophie zählt, und eines umfangreichen philosophischen und theologischen Werks, die ‚Theologia Platonica‘, in dem Ficino eine harmonisierende Synthese zwischen Neuplatonismus und christlichem Weltbild zu schaffen versucht.
Die Schrift, auf die wir uns im Kurs fokussieren werden, ist in mehreren Hinsichten überraschend: Aus drei ursprünglich eigenständigen Abhandlungen hervorgehend ist ‚De vita‘ ein medizintheoretisches Werk mit praktischen Anleitungen zum Erhalt und zur Wiederherstellung der Gesundheit, zum Gewinn eines langen Lebens und zum Einfluss astrologischer Konstellationen auf die physische, psychische und geistige Verfassung insbesondere geistig tätiger Menschen. Die Schrift bietet eine faszinierende und oft schwer zu entziffernde Zusammenfassung von Philosophie, Medizin, Magie und Astrologie. Neben Abschnitten, die die Unsterblichkeit, die göttliche Herkunft und die Natur der Seele erklären, finden sich astrologische Karten und Heilmittel, Diskussionen über verschiedene griechische Gottheiten, philosophische Abwege, mittelalterliche Vorschriften für verschiedene Leiden, Versuche, den Neuplatonismus von Plotin mit den christlichen Schriften in Einklang zu bringen, sowie magische Heilmittel und Talismane.
In dem Kurs werden wir ausgewählte Kapitel aus allen drei Büchern, aus denen die Schrift besteht, lesen, übersetzen und sowohl in sprachlicher als auch in inhaltlicher Hinsicht erörtern. Als Grundlage für unsere Erörterungen wird die 2012 von Michaela Boenke herausgegebene, übersetzte und eingeleitete Textausgabe von ‚De vita‘ dienen.
Eine vollständige Primär- und Sekundärliteraturliste wird in der ersten Seminarsitzung zur Verfügung gestellt. |