Kommentar |
Der in Paris lebende Tscheche Milan Kundera ist ein gebürtiger Brünner. Wie auch der „magische Regionalist“ Jiří Kratochvil, von dem es heißt, er habe Brno für die Literatur eigens erschaffen. Aus Brno kam auch der Dichter Ivan Blatný, bevor er in der englischen Psychiatrie verschwand und dort seine später berühmten surrealen Gedichte verfasste. Mit Kateřina Tučková griff dann nach 1989 eine junge Brünner Autorin ein Tabuthema auf: die Vertreibung der Deutschen 1945 aus der einstmals tschechisch-jüdisch-deutschen Stadt. Ihrer aller Texte bieten je spezifische Optionen, sich der mährischen Metropole, ihrer Geschichte und Kultur zu nähern. Wobei hier das Verhältnis von Literatur und Stadtgeschichte abgerundet wird um den Aspekt der herausragenden, auch in den literarischen Brünn-Diskurs prägend eingegangenen Architektur. Beispiele sind die funktionalistische Villa Tugendhat, die der Architekt Ludwig Mies van der Rohe Anfang der 1930er Jahre entwarf, oder das Roma-Museum in Brno, das älteste seiner Art.
Wir werden uns also in den ersten Sitzungen Brünn literarisch nähern und seine Qualität als Text-Stadt diskutieren. Auf der späteren Exkursion (23.05.-26.05.2024) werden wir uns mit der Topografie der Stadt vertraut machen, mit ihrer Museums- und Universitätslandschaft sowie das Internationale Theaterfestival Brno (Theatre World Festival) besuchen. Details der Planung und Seminarleistung besprechen wir im Seminar gemeinsam. Tschechisch-Kenntnisse sind nicht erforderlich; der Lesestoff wird im Original und in Übersetzung auf Moodle bereitgestellt. |