Kommentar |
Der Knochen eines Mammuts mit der Jahreszahl 1443 im Wiener Stephansdom; die heilige Lanze im Reichskreuz, einer Herrscherinsignie des Heiligen Römischen Reiches; Bildzyklen zum Leben der Heiligen und Märtyrer – die Artefakte, die im Mittelalter Legenden und Mythen erschufen, stützten und veranschaulichten, konnten unterschiedlichster Art sein. Der Knochen führte in vergangene Zeiten, die weit jenseits des 15. Jahrhunderts lagen. Die Lanze, die angeblich Christus am Kreuz in die Seite gestochen hatte, legitimierte das sakrale Herrschertum. Die Bildzyklen vergegenwärtigten die Heilstaten und den Leidensweg vorbildhafter Menschen. Die Objekte waren verschiedenster Herkunft und Beschaffenheit – Dinge der Natur sowie menschlicher Fertigung – und erhielten spezifische Orte, etwa den öffentlichen Kirchenraum oder die Räume der Eliten. Jedes von ihnen aber trug dazu bei, kollektive Identitäten und gesellschaftliche Ordnungen herzustellen.
Das Seminar wird sich mit der Frage beschäftigen, mit welchen Mitteln und Praktiken Mythen und Legenden in den Artefakten vergegenwärtigt wurden. Es wird mit einer Begriffsarbeit zu ‚Mythos‘ und ‚Legende‘ beginnen und dann einzelne Objekte in ihrem jeweiligen gesellschaftlichen Kontext untersuchen. Ein besonderer Fokus wird auf der (künstlerischen) Bearbeitung und Gestaltung der Gegenstände liegen. |