Staatlichkeit und Geschlecht sind auf vielfältige Weise miteinander verwoben. Ansätze feministischer Staatstheorie untersuchen, wie Staat und Staatlichkeit mit vergeschlechtlichten Ungleichheits- und Gewaltverhältnissen verknüpft sind und wie Geschlechtervorstellungen in staatlichen Politiken hervorgebracht werden (beispielsweise durch rechtliche Regelungen zur Familie). Zugleich verweisen sie darauf, dass der Staat auch als Adressat feministischer Forderungen und wirkmächtiger politischer Akteur angerufen werden kann, etwa mit Blick auf Gleichstellungspolitiken oder die Strafverfolgung bei sexueller/sexualisierter Gewalt.
Aus ethnographischer Perspektive rückt darüber hinaus in den Blick, dass der Staat nicht als kohärente und fest abgrenzbare Einheit verstanden werden kann. Vielmehr ist Staatlichkeit immer brüchig, illusionär und widersprüchlich. Ethnographische Forschungen fragen beispielsweise danach, wie Menschen den Staat in ihrem Alltag erfahren und mit hervorbringen oder wie ihre Erfahrung durch ihre Positionierung und (verkörperten) Begegnungen mit staatlichen Institutionen und Beamt:innen geprägt ist.
Im Seminar beschäftigen wir uns zunächst mit verschiedenen theoretischen Ansätzen zu Staatlichkeit und Geschlecht, um dann zu fragen, wie und wo deren komplexe Verwobenheiten und Ambivalenzen ethnographisch erforscht werden können. Daher werden im zweiten Teil des Seminars unter anderem Ethnographien vorgestellt und diskutiert, die empirisch situierte Schlaglichter auf die Fragen und Perspektiven des ersten Teils werfen und auch zur Diskussion über methodologische Fragen anregen sollen. |