Kommentar |
In diesem praktisch angelegten Seminar soll den Teilnehmenden die Gelegenheit gegeben werden, selbst ausgewählte Texte zu übersetzen, zu denen sie eine besondere Affinität, etwa inhaltlicher oder stilistischer Art, haben. Übersetzende sind dem Berufsbild nach Chamäleons, dank deren Wandelbarkeit der Originaltext in ihrer Übersetzung ein neues, ihm gerecht werdendes Gewand erhält – auf der anderen Seite haben aber natürlich alle Übersetzenden ihren eigenen Stil, ihre Vorlieben und Stärken, die sie an den zu übersetzenden Texten ausspielen, sei es z.B. Mündlichkeit, Dramatisierung, Wortspiele, sachlich-klare Darstellung, epische Satzkaskaden usw. Wir wollen im SE anhand der ausgewählten Texte dieses Spektrum ausloten. Dazu werden wir in einem ersten Schritt herauszufinden versuchen, was denn eigentlich „der Stil“ der einzelnen Teilnehmenden ist. Diese Stilerkundung umfasst Nachdichtungen der Stilübungen von Raymond Queneau und freie Schreibübungen (z.B. Erlebnisbericht „Der schönste Tag in meinem Leben“). Bei Esther Kinsky heißt es: „Jede Übersetzung ist in erster Linie das Ergebnis eines Gestaltungsprozesses von Sprache als Material, der nicht aus der Beschäftigung mit einem Gegenstand erwächst, sondern aus der Beschäftigung mit der Spannung zwischen zwei Arten der Behandlung eines Gegenstands.“ (in: Fremdsprechen, Matthes & Seitz, Berlin 2014). Müsste mir dann, je näher mir der Stil eines Textes ist, die Übersetzung umso „leichter“ fallen? Welche Kunst entsteht aus einer solchen Nähe? Und was entsteht, wenn ich im Gegenteil ein mir „fernes“ Werk übersetze, aus dieser Reibung? Ein anheizendes Feuer oder versengende Hitze? Um das herauszufinden, wollen wir dem Wunschkonzert aus Lieblingstexten zum Kontrast Texte entgegenstellen, die den persönlichen Vorlieben der Teilnehmenden entgegenstehen, ihnen widerstehen, sich sträuben. Begleitend zur praktischen Arbeit werden wir auf der Grundlage von Esther Kinskys Buch einige übersetzungstheoretische Aspekte erörtern und auf die erarbeiteten Übersetzungen anwenden. Darüber hinaus sollen die Teilnehmenden auch die Gelegenheit erhalten, eigene Texte zu verfassen, in denen sie ihre Übersetzungen reflektieren, und dabei verschiedene Gattungen auszuprobieren (Übersetzungsvergleich, Kurzessay, Zeitungsrezension o.ä.). Die Teilnehmenden können Texte in allen Sprachen einbringen, die sie verstehen. Die Teilnahme an den anderen Kursen der Reihe „Die Kunst der Übersetzung“ ist für dieses Seminar keine Voraussetzung. |