Gruppe 1: Genauigkeit in den Geisteswissenschaften
Der Begriff Genauigkeit lässt an die Errungenschaften der sogenannten exakten Wissenschaften denken. Auf die Frage, worin das Exakte der Naturwissenschaften besteht, könnten eine Physikerin, ein Chemiker oder eine Mathematikerin mit großer Selbstverständlichkeit auf Naturgesetze, auf die unzweifelhaften Wahrheitswerte ihrer Formeln oder die genauen Messverfahren ihrer Experimente verweisen. Doch welchen Stellenwert hat Genauigkeit in den Geisteswissenschaften? Wenn die Naturwissenschaften als „hart“, empirisch und „exakt“ gelten, muss man die Geisteswissenschaften dann umgekehrt als „weich“ und „ungenau“ bezeichnen, wie der Philologe Jacob Grimm 1846 nicht ohne Ironie vorschlug?
Im Seminar werden wir uns mit der Begriffsgeschichte der Genauigkeit beschäftigen und das Konzept der „epistemischen Tugenden“ diskutieren. Mit interdisziplinärer Vielfalt und anhand von Fallgeschichten werden wir sodann die historische Genese, theoretische Ausgestaltung und praktische Wirksamkeit von Verfahren untersuchen, die unter der Maßgabe von Genauigkeit die Erkenntnisproduktion im geisteswissenschaftlichen Kontext formen. Insbesondere wird die Aufmerksamkeit spezifischen Kulturtechniken gelten, die in täglichen Forschungsroutinen zum Einsatz kommen, also etwa im Lesen, Beschreiben, Klassifizieren, Korrigieren oder Vergleichen. Dabei interessieren uns sowohl die produktive Dimension von Genauigkeit im Erkenntnisprozess, als auch die Momente, in denen sie ins Exzessive, Pathologische, Phantastische kippt.
Gruppe 2: Buchdruck, Predigt, Öffentlichkeit: Reformation und Medien
Die Reformation war ein Medienereignis: Man kann behaupten, dass sie nur durch den Buchdruck so verlief, wie sie verlief, und dass sich durch und mit dem Buchdruck eine „reformatorische Öffentlichkeit“ (R. Wohlfeil) herausbildete. Neben den Erzeugnissen des Buchdrucks (Flugschriften, Flugblätter usw.) spielten aber mündliche Verbreitungsformen (Predigt!) sowie andere öffentliche Aktionen eine so große Rolle, dass man eher von einer „Partitur“ von Medien (R. Scribner) als von der totalen Dominanz des Buchdrucks ausgehen muss. Im Seminar soll also eine Doppelfrage diskutiert werden: Welche Bedeutung besaßen die Medien für die Reformation, und welche Bedeutung besaß die Reformation für die Medien?
Gruppe 3: Katholische Mission im 16. und 17. Jahrhundert
Die koloniale Expansion europäischer Gesellschaften nach Asien, Afrika und Amerika seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert beflügelte die katholische Mission, die in diesen Gegenden neue Seelen für das Christentum zu gewinnen suchte. Aber nicht immer trafen Missionare nur auf „Ungläubige“. Im Nahen und Mittleren Osten, in Äthiopien und in Indien gab es christliche Kirchen, die sich weitestgehend unabhängig von Rom entwickelt hatten und die es aus katholischer Sicht nun zum „wahren Christentum“ zurückzuführen galt. An den Missionsunternehmungen waren zahlreiche Orden beteiligt, darunter einige Neugründungen wie die Gesellschaft Jesu.
In diesem Bachelorseminar werden wir uns ein Bild davon verschaffen, wie katholische Mission funktionierte und wie Missionare sowohl im Verbund der Kirche als auch unmittelbar vor Ort agierten. Hierbei verdient auch das Verhältnis der Missionare und der Institutionen, welche sie repräsentierten, zu den kolonialen und indigenen Obrigkeiten Aufmerksamkeit. Darüber hinaus ist es mir ein wichtiges Anliegen, soweit wie möglich auch die Perspektiven und Handlungsräume der Menschen zu berücksichtigen, die das Ziel missionarischer Tätigkeit bildeten. Denn diese waren keineswegs bloß passive Rezipienten katholischer Unterweisung.
Das Anliegen des Seminars ist es, anhand ausgewählter Beispiele aus dem 16. und 17. Jahrhundert Einblicke in die Geschichte der frühneuzeitlichen Missionen und des „globalen Katholizismus“ zu gewähren. Im Rahmen der Hausarbeit werden Sie diese in von Ihnen ausgewählten Fallstudien vertiefen, worauf Sie die im Kurs zu erbringenden schriftlichen Arbeitsleistungen gezielt vorbereiten. Die Teilnahme am Kurs bietet Ihnen vielfältige Möglichkeiten, das in den vergangenen Semestern erworbene Handwerkszeug der historischen Forschung weiter zu schärfen.
Gruppe 4: „Gastarbeiter“ im „Wirtschaftswunder“: Eine Wirtschaftsgeschichte der Immigration nach Deutschland nach 1945
Sogenannte „Gastarbeiter“ sind oft vergessene Akteure in der deutschen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Dabei waren Arbeitsmigranten und –migrantinnen von zentraler Bedeutung für den ökonomischen Aufschwung der Bundesrepublik Deutschland seit den 1950er. Darüber hinaus bildet Immigration seit dieser Zeit einen zentralen Faktor in sozialen Wandlungsprozessen mit Folgen bis in die Gegenwart. Das Seminar fokussiert auf Immigration und sozioökonomischen Wandel in Westdeutschland von den 1950er bis in die 1970er Jahre, eine Vergleichssonde soll die Entwicklung in der DDR kurz beleuchten. Studierende lernen in dem Seminar Grundlagen der Wirtschaftsgeschichte. In studentischen Projektgruppen werden dann konkrete Fallbeispiele zu den „Gastarbeitern“ im „Wirtschaftswunder“ erarbeitet.
Gruppe 5: Exil. Zur Flucht aus dem nationalsozialistischen Deutschland nach 1933
Ungefähr eine halbe Million Menschen verließen das Deutsche Reich zwischen 1933 und 1945. Ihre Selbstrettung fand unter äußerst schwierigen Umständen statt: Das NS-Regime schränkte Fluchtmöglichkeiten immer weiter ein, und viele Staaten verschärften ihre Aufnahmebedingungen.
Im Seminar betrachten wir die Geschichte des Exils nach 1933 aus unterschiedlichen Perspektiven: Wir fragen nach der Geschichte von Verfolgung und Aufnahme, nach Fluchtwegen und gescheiterten Fluchten, nach Erfahrungen und dem Alltag im Exil und, ausblickend, nach Rückkehrplänen und nach der Rolle, die Remigrant*innen in beiden deutschen Staaten gespielt haben. Dabei kommen ganz unterschiedliche Quellengattungen in den Blick: Exilkunst und Exilliteratur, Exilbriefe und Exilberichte, aber auch Radioreden und Tagebucheinträge.
Das Seminar führt in zeitgeschichtliche Problemfelder und Arbeitsweisen sowie in den Umgang mit verschiedenen Quellengattungen ein. Besonderes Augenmerk liegt auf der Vorbereitung der schriftlichen Hausarbeit.
Gruppe 6: (K)ein Krieg der Vergangenheit. Der Spanische Bürgerkrieg, 1936-1939
Der Spanische Bürgerkrieg war ein Ereignis mit globaler Tragweite und Strahlkraft sowie der Ursprung einer jahrzehntelangen Diktatur und prägt und polarisiert die spanische Gesellschaft bis heute. Im Seminar werden anhand von Quellen und Forschungsliteratur zentrale Aspekte und Fragen diskutiert: Seine Ursprünge in den gesellschaftlichen Verwerfungen der Zwischenkriegszeit und dem Kolonialkrieg in Nordmarokko, Kriegserfahrungen und lokale Gewaltdynamiken, Propaganda und Ideologie, internationale Unterstützung und Freiwillige sowie Flucht und Exil. Abschließend werden sein Platz in der Erinnerungs- und Populärkultur Spaniens sowie etwaige Anknüpfungspunkte zu Kriegen und Kriegsfreiwilligen der Gegenwart besprochen. Spanischkenntnisse sind erfreulich, aber nicht notwendig.
Gruppe 8: On the Battlefield: The Napoleonic Wars and the History of Violence (auf Englisch)
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