Kommentar |
In diesem Seminar werden wir uns mit der Consolatio philosophiae, dem Hauptwerk des spätantiken römischen Philosophen Boethius auseinandersetzen. Dieses Werk umfasst fünf Bücher und gilt als letztes bedeutendes philosophisches Werk der Antike. Boethius verfasste die Consolatio um die Mitte der zwanziger Jahre des 6. Jahrhunderts, nachdem er auf Geheiß des Ostgotenkönigs Theoderich verhaftet worden war, weil er hochverräterischer Beziehungen zum oströmischen Kaiser verdächtigt wurde. Das Werk ist als Dialog zwischen dem Autor und der personifizierten Philosophie, die ihn tröstet und belehrt, konzipiert. Als Anhänger des Neuplatonismus schöpft Boethius sein Gedankengut vor allem aus den Werken Platons, des Aristoteles und der Neuplatoniker. Oft nimmt er zustimmend auf Lehren Platons Bezug. Daneben ist auch der Einfluss stoischer Vorstellungen erkennbar. Die Consolatio schildert die Heilung des in der Not der Gefangenschaft seelisch erkrankten Autors. Seine Heilung vollzieht sich unter der kundigen Anleitung der Philosophie, die ihm als allegorische Gestalt erscheint. Sie verhilft ihm in einem unter didaktischen Gesichtspunkten durchgestalteten Dialog zu den Erkenntnissen, die er benötigt, um der Verzweiflung zu entrinnen und sein Schicksal zu akzeptieren. Inhaltlich gehört die Consolatio, wie schon ihr Titel zeigt, als Trostschrift in die Tradition der antiken Konsolationsliteratur. In dieser Gattung stellt sie insofern einen Sonderfall dar, als es nicht um den Tod eines Angehörigen oder Freundes geht, der eine Tröstung des Hinterbliebenen erforderlich macht, sondern dem Autor sein eigener Tod droht, der aber als Gedanke nicht im Vordergrund steht. Abgesehen von der Trostthematik ist die Consolatio auch ein Protreptikos. Der Autor ist zwar Philosoph, hat aber unter dem Eindruck seines schweren Schicksals grundlegende philosophische Einsichten vergessen; das Werk schildert, wie er zu ihnen zurückgeführt wird. Damit soll es auch dem Leser einen Weg zu den dargestellten Erkenntnissen weisen.
Im Seminar werden wir ausgewählte Stellen der fünf Bücher, aus denen das Werk besteht, lesen und im Lichte der Ergebnisse der jüngeren Forschung kommentieren.
Eine vollständige Literaturliste wird am Anfang des Seminars zur Verfügung gestellt. |