Kommentar |
Aktuell verändern Cancel Culture, Zensurvorwürfe und polarisierte Debatten in den Sozialen Medien die Parameter des öffentlichen Sprechens. Welche Auswirkungen hat diese neue Kultur des Verdachts, Grenzen könnten übertreten, Meinungen nicht gehört oder Debatten abgeschnitten werden auf den praktischen, institutionellen, politischen sowie juristischen Umgang mit Bildern, die Anstößigkeit hervorrufen? Welche (bild-)theoretischen Implikationen werden durch den neuen Umgang mit Artefakten der Bildenden Kunst implizit hervorgebracht und wie reagiert eine Kunst- und Bildgeschichte auf die aktuellen Vorwürfe der Zensur? In diesem Seminar sollen die historischen und systematischen Grundlagen von Bildzensurpraktiken freigelegt, von der Bücherzensur abgegrenzt und mit der Debatte um neue technische Akteure des Plattformkapitalismus verbunden werden. Auch wenn die Eindämmung anstößiger Bilder seit dem Buchdruck Tradition hat, ist heute eine neue Form der Bildzensur in aller Munde, die die Grenzen der Kunstfreiheit und der freien Meinungsäußerung auf die Probe stellt: In Sozialen Netzwerken werden nicht nur Bilder der Gewalt und Nacktheit durch algorithmische Bilderkennungen und Content Moderator gelöscht; die Kriterien für die Regulierungen bleiben opak und fallen unter die Geheimhaltungsrichtlinien US-amerikanischer Großkonzerne. Gleichzeitig üben sich traditionelle Institutionen wie Museen in Praktiken der Selbstzensur (Bsp. Balthus „Thérèse Dreaming“, Bananenproteste um Natalia LLs „Consumer Art“), um im Zuge der #Metoo-Diskussionen keine Debatten um anstößige Bilder zu provozieren. Das Seminar fragt anhand von konkreten Fallstudien nach den Diskursen der staatlichen, religiösen und sozio-technischen Zensur in historischer Perspektive. Die Teilnahme am Seminar setzt die Bereitschaft voraus, Lektüren zu den einzelnen Sitzungen durch Lektüreprotokolle vorzubereiten und sich in Gruppenmoderationen und -diskussionen zu engagieren.
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Literatur |
Frimmel, Sandra/Mara Traumane (Hg.) (2018): Kunst vor Gericht. Ästhetische Debatten im Gerichtssaal. Berlin: Matthes & Seitz; Gillespie, Tarleton (2018): Custodians of the Internet. Platforms, Content-Moderation, and the Hidden Decisions That Shape Social Media, New Haven/London: Yale University Press; Müller-Helle, Katja (2019): Noise Bodies. Bildzensur 1967/heute, in: nach dem film, no 17, Frühjahr 2019, abrufbar unter https://nachdemfilm.de/issues/text/noise-bodies-bildzensur-1967heute; Müller-Helle, Katja (2019): Digitale Bildzensur. Zur Einhegung der Kunst in der Digitalmoderne, in: Figuren ästhetischer Fremdbestimmung, Kritische Berichte, 3/2019, S. 56-67; Rauterberg, Hanno (2018): Wie frei ist die Kunst? Der neue Kulturkampf und die Krise des Liberalismus, Berlin: Suhrkamp 2018; Rossbach, Nikola (2022): Zensur in Demokratien. Ein Gespräch, in: Zeitschrift für Ideengeschichte, Heft XVI/1, S. 11-22; Rothöhler, Simon (2018): Informationen, die Bilder haben. Zur Moderierbarkeit von visuellem Content, in: Zeitschrift für Medienwissenschaft. Heft 19: Faktizitäten, Jg. 10 (2018), Nr. 2, S. 85–94, abrufbar unter: https://mediarep.org/handle/doc/3551. |
Bemerkung |
Das Seminar findet als Blockveranstaltung an vier Terminen (13.5., 10.6., 1.7., 8.7.2022), jeweils freitags, 12 bis 18 Uhr, in Raum 3.30, Georgenstr. 47, statt. Vorbesprechung: Freitag, 22.4.2022, 8.30 bis 10 Uhr, Raum 3.30. Die Teilnahme ist auf 30 Personen begrenzt. |