„Die Ästhetik der Farbfotografie ist bis heute noch nicht ‚durchdacht‘ worden“, stellt Michel Frizot Mitte der 1990er-Jahre in seiner „Neuen Geschichte der Fotografie“ fest. Auch fünfundzwanzig Jahre nach dieser Diagnose hat sich daran nicht viel geändert. Das Gros der Publikationen zur Geschichte der Fotografie in Farbe widmet sich seinem Gegenstand aus technikgeschichtlicher Warte oder nimmt monographisch einzelne Fotograf*innen in den Blick. Weitgehend offen bleibt dabei aber nicht nur der systematische Blick auf die formalen Dimensionen farbfotografischer Praxis, sondern auch ihre Einbettung in sozial- und wissensgeschichtliche sowie politische Kontexte.
Diesen Fragen wollen wir uns im Seminar im Dialog mit der bestehenden Forschung stellen. Ausgehend von der unbunten Farbigkeit der Schwarzweiß-Fotografie widmen wir uns unterschiedlichen Perspektiven einer Fotografie in ‚natürlichen‘ Farben. Von ihrer Rolle in wahrnehmungspsychologischen Versuchsanordnungen des 19. Jahrhunderts spannen wir dabei den Bogen bis zur Instrumentalisierung des buntfarbigen Reizes in Werbung und Propaganda – aber auch die konfliktreiche Stellung der Farbe auf dem Feld der künstlerischen Fotografie wird zu thematisieren sein. So führt das Seminar in die Geschichte der Farbfotografie ein, die immer auch eine Geschichte der Wahrnehmung, unterschiedlicher sozialer Gebrauchsweisen des fotografischen Bildes und divergierender Deutungen seiner Medialität ist.
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