Kommentar |
In seinen Keywords befürchtete der britische Kulturtheoretiker Raymond Williams im Jahr 1976, dass die Praxis der Kritik längst zur „Krittelei“ verkommen sei. Ein Vorwurf, den sich insbesondere die moderne Kunstkritik gefallen lassen musste, der bis heute Kriterienlosigkeit bei ihrer Urteilsfindung vorgeworfen wird. Um der Krittelei-Gefahr zu entgehen, schlug Raymond Williams eine andere Sichtweise auf Kritik vor: „Was immer verstanden werden muss“, schreibt er, „ist die Besonderheit derjenigen Erwiderung, die kein Urteil, sondern eine Praxis ist.“ Die Frage nach der Praxis der Kritik aufnehmend, fragte Michel Foucault 1978 in seinem Vortrag „Qu‘est-ce que la critique?“ nach den Voraussetzungen und der geschichtlichen Herkunft von Kritik im Nachklang der Aufklärung. Judith Butler führte diese Problematik in einer Antwort auf Foucault im Jahr 2000 in Bezug auf institutionalisierte Praktiken, Diskurse und Episteme fort.
War man sich bis vor kurzem noch sicher, dass die Speerspitze kritischer Impulse seit den 1960er Jahren aus einem linkspolitischen Milieu kam, sind die Zuordnungen derzeit in Verwirrung geraten: In einer Zeit, in der Politiker der AfD für sich in Anspruch nehmen, die Avantgarde des gesellschaftlichen Werteumbruchs zu sein, muss auch die Vorgeschichte der kritischen Instanzen und Milieus unserer Gesellschaft neu befragt werden.
„Was ist Kritik?“ ist demnach keine pragmatisch zu beantwortende Frage, sondern ein Angebot, in die Debattenkultur, die Geschichte, die Theorie und die Praxis von kritischer Intervention in den Feldern der Kunst-, und Literaturkritik einzusteigen und diese zu historisieren. In drei Schwerpunktfeldern werden Themen zur Geschichte, Theorie und Praxis der Kritik erarbeitet sowie Formate der Kritik (Rezension, Kommentar) im eigenen Schreiben eingeübt. |
Literatur |
Diderot, Denis (1775): Salon von 1775, in: Denis Diderot, Ästhetische Schriften, hrsg. v. Friedrich Bassenge, Berlin: Verlag Westberlin 1984, S. 545-563; Greenberg, Clement (1967), Neuerdings die Skulptur, in: Clement Greenberg. Die Essenz der Moderne. Ausgewählte Essays und Kritiken, hrsg. v. Karlheinz Lüdeking, Amsterdam: Verlag der Kunst 1997, S. 362-371; Lehmann, Harry (Hg.) (2012): Autonome Kunstkritik. Berlin: Kadmos; Jaeggi, Rahel und Tilo Wesche (Hg.) (2009): Was ist Kritik?, Frankfurt: Suhrkamp; Rule, Alix und David Levine (2013): International Art English. Zur Karriere der Pressemitteilung in der Kunstwelt, in: Merkur, Heft 6, S. 516-527; Voss, Julia (2015), Hinter weißen Wänden. Berlin: Merve Verlag.
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Bemerkung |
Mischung aus synchronen und asynchronen Formaten
Die synchronen Sitzungen finden ab dem 15.4., 12-14 Uhr, donnerstags, statt. Die konkreten Termine werden über den Moodle-Kurs bekannt gegeben. |