Kommentar |
Seuchen machen Geschichte. Für Gesellschaften und Staaten waren Seuchen immer einschneidende Erlebnisse, indem sie vermeintlich Sicheres infrage stellten. Die Pläne von Einzelnen und Institutionen gerieten durcheinander, alte Sinnstiftungsmechanismen versagten, neue – u.a. medizinische – Erklärungen wurden diskutiert, das Sicherheitsversprechen des Staates erwies sich als brüchig. Anhand des individuellen, kollektiven und staatlichen Umgangs mit Krankheiten und Seuchen können gesellschaftliche Problemfelder ausgemacht und Veränderungen nachvollzogen werden. Schließlich trugen Krankheiten und Epidemien zumeist dazu bei, längst angelegte gesellschaftliche Spannungen zu intensivieren. Die Seuchen gelten fälschlicherweise als „demokratische Krankheiten“, weil sie Menschen unabhängig ihres sozialen Status dahinrafften. Doch waren nicht alle Menschen gleichermaßen betroffen. Schon, weil einzelne Personen und Gruppen in besonderer Weise als gefährdet oder gefährlich galten, trugen diese Krankheiten dazu bei, die Gesellschaftshierarchien neu zu strukturieren – was alles andere als konfliktfrei vonstattenging: Ängste konnten Gewalthandeln auslösen. Demgegenüber bleibt zu untersuchen, wie die Staaten versuchten, die Kontrolle zurückzugewinnen.
So dienen Quellen aus Seuchen- und Krankheitszeiten in besonderer Weise dazu, dem religiösen, politischen und wissenschaftlichen Selbstverständnis der Zeitgenossen auf die Spur zu kommen.
Das Seminar wird vor dem Hintergrund der aktuellen Erfahrungen mit dem Corona-Virus nachvollziehen, welche Ängste Krankheiten wie die Pocken, Cholera, Syphilis und Tuberkulose auslösten, wie die Gesellschaften, die Wissenschaft und Politik darauf reagierten und welche konkreten Maßnahmen ergriffen wurden, um die Sicherheit der Bevölkerung zu garantieren. |