Kommentar |
Gruppe 1: Der amerikanische Bürgerkrieg
In der US-amerikanischen Geschichte war der Bürgerkrieg von 1861 bis 1865 ein einschneidendes Ereignis. Es ging um nichts weniger als um die territoriale Einheit des noch jungen Staates, um seine Wirtschaftsordnung sowie um die Durchsetzung einer bürgerlich-liberalen Gesellschaft. Aus militärischer Sicht war der Krieg zwischen den Nord- und Südstaaten extrem verlustreich, aber an seinem Ende stand die Abschaffung der Sklaverei. Die Erinnerung an ihn blieb bis weit ins 20. Jahrhundert hinein umstritten in den USA; selbst im gegenwärtigen US-Wahlkampf spielt er noch eine Rolle. Im Seminar werden wir uns verschiedene Zugänge zum amerikanischen Bürgerkrieg erarbeiten, wobei die Politik-, Wirtschafts-, Sozial- und Alltagsgeschichte des Krieges dominieren werden. Methodisch steht die Arbeit mit exemplarischen Quellen im Mittelpunkt des Seminars, das sich als Einführung in die amerikanische Geschichte in ihren globalen Verflechtungen versteht.
Gruppe 2: Grenzen auf dem Balkan. Von imperialen über nationale Trennlinien zur post-territorialen Ordnung der Gegenwart
Die Pandemie, sowie die Fluchtbewegungen vor fünf Jahren haben deutlich die These dementiert, nationalstaatliche Grenzen würden zunehmend bedeutungslos. Im Gegenteil. Es wird ein neues Bedürfnis nach materialisierbaren Grenzen bei den verschiedensten gesellschaftlichen Akteuren deutlich. Dem Balkan kam dabei eine doppelte Zuschreibung zu: einerseits war es die „Balkanroute“ auf der die Flüchtenden nach „Europa“ kamen, andererseits sollten auf dem Balkan möglichst hermetische Grenzen errichtet werden, um eine weitere Passage zu verhindern. Zugleich wurde schon mit der Errichtung der habsburgischen Militärgrenze der „Orient“ als Ursprung von Seuchen imaginiert, gegen die dieser „Cordon Sanitaire“ Schutz bieten sollte. Das Seminar stellt die Dialektik von Kommunikationslinien und Abgrenzung in historischer Perspektive in den Vordergrund, bis hin zu jenen Grenzen die gewaltsam vermittels ethnischer Säuberungen in den Kriegen der 1990er Jahre geschaffen wurden und thematisiert damit auch die Frage nach der Bedeutung von Grenzen im Europa der Gegenwart.
Gruppe 3: Text und Welt. Orte und Formen wissenschaftlicher Erkenntnis, 1600–1900
Was hat die Naturgeschichte oder „Naturhistorie“ (natural history) mit dem Studium der Vergangenheit zu tun? Wie hängen Geologie und Mineralogie, Paläontologie, Botanik und Zoologie mit dem Studium von Texten, Bildern und Bauwerken, von Politik, Recht, Kultur und Wirtschaft zusammen? Das Seminar zeigt, dass „Historia“ bis ins 19. Jahrhundert weder einen bestimmten Forschungsgegenstand (die Vergangenheit) noch eine spezifische Disziplin (die Geschichtswissenschaft) bezeichnete, sondern sich vielmehr auf eine Methode der Wissensproduktion bezog. „Historische“ Analysen verbanden empirische Beobachtungen mit der Analyse klassischer Schriften, widmeten sich Welt und Buch zugleich, waren Erzählung ebenso wie Theorie. Das Seminar zeichnet die Entstehung und Entwicklung dieses weiten, systematischen Geschichtsbegriffs nach, von der „wissenschaftlichen Revolution“ im 17. Jahrhundert bis zur Herausbildung der Geschichte als einer modernen akademischen Disziplin. Besondere Aufmerksamkeit gilt der Bedeutung von Wundern, dem Begriff der Tatsache und dem Auftauchen der Fußnote. Das Seminar historisiert es die Trennung der Natur- und Geisteswissenschaften und bietet, indem es den Wandel wissenschaftlicher Praktiken und Erkenntnistheorien beleuchtet, zugleich eine Einführung in die Wissenschafts- und Wissensgeschichte. Die Bereitschaft zu englischsprachiger Lektüre wird vorausgesetzt.
Gruppe 6: „Blutig und besudelt der liebe Gott“ – Religion im Ersten Weltkrieg
Die Lehrveranstaltung vermisst das weite Feld einer „spiritual history of the First World War“ (James F. McMillan) in einer kulturgeschichtlichen tour d’horizon. Weckte anfangs ein auch religiös konnotiertes „Augusterlebnis“ (1914) manche Erwartungen auf eine spirituelle Wiedererweckung in der sich konstituierenden Kriegsgesellschaft des Kaiserreichs, so beurteilte der Kirchenhistoriker Martin Greschat den Krieg aus der Distanz von hundert Jahren (2014) als „die umfassende Katastrophe des europäischen Christentums in allen seinen Konfessionen“. „Blutig und besudelt der liebe Gott“, hieß es schon in Hugo Balls kriegskritischem „Totentanz 1916“ aus den Anfangstagen der Dada-Bewegung. Auch Papst Benedikt XV. sprach von einem „unnütze[n] Morden“. Seine im Sommer 1917 lancierte Friedensinitiative scheiterte zwar – nichtsdestotrotz bietet die Episode einen Kontext, um die (religiösen) „Kriegskulturen“ der verschiedenen Länder vergleichend untersuchen zu können. Neben Momenten der säkularen „Entzauberung“ stehen Befunde über spirituelle „Innovationen“ und eine Pluralisierung und Dynamisierung des religiösen Feldes auf lange Sicht.
Gegenstand der gemeinsamen Lektüre und Quellenarbeit im Kurs werden verschiedene Religionsgemeinschaften sein, auch kleinere wie die Herrnhuter Brüdergemeine. So möglich, stehen auch gemeinsame Archivbesuche auf dem Programm, etwa im Kirchlichen Archivzentrum am Bethaniendamm oder im Archiv im Böhmischen Dorf in Neukölln.
Gruppe 7: Fotografie und Gender
Das Seminar führt Studierende in die fotohistorische Forschung aus genderanalytischer Perspektive ein. Eine Auseinandersetzung mit der einsetzenden schulischen Ausbildung von Fotograf*innen an der Wende zum 20. Jahrhundert und der Frage, wie fotografisches Wissen zu jener Zeit überhaupt erlernbar war, verblasst häufig neben der Aufarbeitung von Werksbiografien einzelner Protagonist*innen der 1920er- und 30er-Jahre.
Mit Blick auf den Berliner Lette-Verein, der seit 1890 strukturiert, mit Lehrplänen und Spezifikationen, Klassen von Fotografinnen ausbildete, versuchen wir mit aktuellen Forschungsbeiträgen und einem intensiven Quellenstudium, Korrekturen gegenüber ideologischen Narrativen vorzunehmen und der Ausbildung und damit einhergehenden Professionalisierung von Fotografinnen einen Platz innerhalb der Fotografiehistoriografie einzuräumen.
Das Blockseminar besteht aus einer Einführungsveranstaltung am 6.11.2020 und findet dann komprimiert am 13./14.11. sowie 20./21.11.2020 statt. Die Bereitschaft, sich in kurzer Zeit intensiv mit den Seminarthemen auseinanderzusetzen, sollte bestehen.
Studierende haben die Möglichkeit im Anschluss direkt mit der Anfertigung der Hausarbeiten zu beginnen. Die Abgabefrist ist der 31.3.2021. |
Literatur |
Gruppe 1: Der amerikanische Bürgerkrieg
Michael Hochgeschwender, Der amerikanische Bürgerkrieg, 3. Auflage, München 2020.
Gruppe 2: Grenzen auf dem Balkan. Von imperialen über nationale Trennlinien zur post-territorialen Ordnung der Gegenwart
Béatrice von Hirschhausen, Michael G. Esch (Hg.), Wahrnehmen, Erfahren, Gestalten: Phantomgrenzen und soziale Raumproduktion, Göttingen: Wallstein 2017.
Charles S. Maier, Once Within Borders Territories of Power, Wealth, and Belonging since 1500, Harvard University Press 2016.
Henk van Houtum, Olivier Kramsch und Wolfgang Zierhofer (Hg.), B/ordering Space, Ashgate 2005.
Gruppe 3: Text und Welt. Orte und Formen wissenschaftlicher Erkenntnis, 1600–1900
Gianna Pomata & Nancy Siraisi (Hg.), Historia. Empiricism and Erudition in Early Modern Europe, Cambridge, MA 2005.
Lorraine Daston & Katharine Park, Wonders and the Order of Nature, 1150–1750, New York 2001.
Wolf Lepenies, Das Ende der Naturgeschichte. Wandel kultureller Selbstverständlichkeiten in den Wissenschaften des 18. und 19. Jahrhunderts, Frankfurt a. M. 1976.
Gruppe 6: „Blutig und besudelt der liebe Gott“ – Religion im Ersten Weltkrieg
Aschmann, Birgit/Justenhoven, Heinz-Gerhard (Hrsg.), Dès le début. Die Friedensnote Papst Benedikts XV. von 1917. Paderborn 2019.
Becker, Annette, War and Faith. The Religious Imagination in France, 1914–1930. Oxford 1998.
Gregory, Adrian, Beliefs and religion, in: Jay Winter/Editorial Committee of the International Research Centre of the Historial de la Grande Guerre (Hrsg.), The Cambridge History of the First World War. Bd. III: Civil Society. Cambridge/New York 2014, 418–444.
Greschat, Martin, Der Erste Weltkrieg und die Christenheit. Ein globaler Überblick. Stuttgart 2014.
McMillan, James F., Writing the spiritual history of the First World War, in: Religie. Godsdienst en geweld in de twintigste eeuw. (Zeventiende jaarboek van het Nederlands Instituut voor Oorlogsdocumentatie.) Zutphen 2006, 47–71.
Schlager, Claudia, Kult und Krieg. Herz Jesu – Sacré Cœur – Christus Rex im deutsch-französischen Vergleich 1914–1925. Tübingen 2011.
Gruppe 7: Fotografie und Gender
- Ulrike Matzer, »Unsichtbare Frauen. Fotografie / Geschlecht / Geschichte«, in: Fotogeschichte. Beiträge zur Geschichte und Ästhetik der Fotografie, 32. Jg. [2012], Nr. 124, S.29-36.
- Joan W. Scott, »Gender: A Useful Category of Historical Analysis« [1985], in: American Historical Review, 1986, no. 91, S.1053-1075.
- Abigail Solomon-Godeau: Fotografie und Feminismus, oder: Noch einmal wird der Gans der Hals umgedreht, in: Fotogeschichte. Beiträge zur Geschichte und Ästhetik der Fotografie, Jg. 17 (1997), Nr. 63, S.45-50.
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