Kommentar |
Ernst Cassirer hängt noch immer der Ruf an, ein zur Umständlichkeit und Langatmigkeit neigender Neukantinaner zu sein, mit dem man sich nicht beschäftigen muss, wenn man gleich zu Kants Schriften greift. Es ist richtig, dass Cassirer Kant besser verstand als viele andere, aber das nicht zuletzt auch deshalb, weil er sich in seiner Lektüre von Goethe und Hegel inspirieren ließ, als Kenner Platons und der Renaissancephilosophie hohes Ansehen genoss, als Sprach- und Bewusstseinstheoretiker die Welt des Geistes und der Kunst auf neue Weise erschloss und mit der neuzeitlichen Physik (Einsteins Relativitätstheorie eingeschlossen) vertraut war. Cassirers Hauptwerk, seine Philosophie der symbolischen Formen, kann zu den wegweisenden Leistungen des 20. Jahrhunderts gerechnet werden.
Man sollte auch nicht vergessen, dass Cassirer zu den wenigen exponierten Hochschullehrern der zwanziger Jahre gehörte, der öffentlich für die Weimarer Verfassung eintrat und auch deshalb Deutschland gleich nach Hitlers Machtergreifung verließ.
Im Exil hat Cassirer eine weiterführende Zusammenfassung des dreibändigen Hauptwerks für die amerikanischen Leser geschrieben, die 1944 unter dem Titel An Essay on Man veröffentlicht wurde. Wir lesen den Text, der in englischer Fassung in der Hamburger Ausgabe der Werke Cassirers und auf Deutsch in einer Taschenbuchausgabe vorliegt. |