Kommentar |
Geradezu jubilatorisch wurde die von der pandemischen Corona-Krise beschleunigte Umstellung weiter Bereiche gesellschaftlicher Wirklichkeit auf Digitalisierung in der Generierung, Übermittlung und Speicherung von Daten realisiert – von der "Corona-App" auf Smartphones bis hin zur Online-Praxis der universitären Lehre. Die Teilnehmenden ebenso wie die distanziert Beobachtenden werden damit unversehens Zeugen einer jener "Medienumbrüche", wie sie die Kulturgeschichte ansonsten nur in Intervallen von Jahrhunderten registriert. Damit steht eine medientheoretische Diagnose geradezu in Echtzeit an. Kommt hier etwas aus gegebenem Anlass zum Durchbruch, wofür als Medienbotschaft (im Sinne McLuhans) längst schon der Boden kultiviert war? Eine ganze "social media"-Generation war durch den globalen Einsatz der Universalen Turingmaschine (konkretisiert in Smartphones) längst hinsichtlich der Einverleibung digitaler Datenströme "massiert" (erneut McLuhan). Ist die zeitweilige Pausentaste (wenn nicht gar Widerstand) gegenüber dieser umfassenden "Digitalisierung" mehr als nur eine donquichoteske Trotzreaktion, wie aus medienhistorischer Sicht der "Ritter von der traurigen Gestalt" Ausdruck der Verteidigung einer angesichts des neuen Mediums Buchdruck untergehenden spätmittelalterlichen Kultur war? Zuallererst steht im besten medienarchäologischen Sinne die "Erdung", d. h. Aufklärung der technischen Kernvorgänge im Prozeß der "Digitalisierung" welthaftiger Signale an. Verbunden ist damit auch die Herausforderung einer medienarchäologischen Kernthese: Es gibt keine Software (Kittler). Regiert vielmehr nur noch Software? Am Ende ist auch die "Unzeit der Digitalisierung" wortwörtlich zu verstehen, als die Frage nach deren technologischer, negentropischen Zeitenthobenheit. |
Literatur |
- Marshall McLuhan, Understanding Media. The Extensions of Man, New York (McGraw Hill) 1964; ders. / Quentin Fiore, Das Medium ist Massage [AO 1967], Frankfurt / M., Berlin, Wien (Ullstein) 1984;
- Bernard Loriferne, Analog-Digital and Digital-Analog Conversion, London / Philadelphia / Rheine (Heyden) 1982;
- Friedrich Kittler, Es gibt keine Software, in: ders., Draculas Vermächtnis. Technische Schriften, Leipzig (Reclam) 1993, 225-242;
- Timothy Scott Barker, Time and the Digital. Connecting Technology, Aesthetics, and a process Philosophy of Time, Hannover, New Hampshire (Darmouth College Press) 2012.
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