Kommentar |
Der Samizdat, schreiben Sabine Hänsgen und George Witte im Jahr 2003, sei bisher hauptsächlich als „weltanschauliche Dissidenz oder als künstlerischer Nonkonformismus“ interpretiert worden. Die von ihnen konzipierte Ausstellung Präprintium. Moskauer Bücher aus dem Samizdat (1998) sollte stattdessen die materiale und mediale Beschaffenheit des Selbstverlags ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken. Die „Unbücher“ des Samizdat – diese „schlecht getippte, flüchtig geheftete, vom Gebrauch zerschundene Kopien“ – förderten diverse Praktiken wie Abtippen, Lektorieren, Verbreiten, Sammeln, Aufbewahren und Verstecken, die ihre materielle Existenz unterstützten. Ausgehend von aktuellen Positionen der Samizdat-Forschung werden wir im Seminar die alternativen Literaturen Ost- und Ostmitteleuropas unter medial-materiellen, praktischen und poetologischen Aspekten betrachten. Wie wird dissidentisches Denken materiell umgesetzt? Wie gehen Samizdat-Schriften auf die Bedingungen ihres Zustandekommens ein? Schlagen sich die Spuren der jeweiligen Schreib- und Leseszenen in ihre Poetik nieder? Die Analysearbeit an polnischen, russischen, slowakischen und tschechischen Textbeispielen wird dabei um die Hauptfrage herumkreisen: „By turning to the material existence of the samizdat text, can we evaluate anew what samizdat was?“ (A. Komaromi). Die zu diskutierenden Textauszüge liegen auch übersetzt vor und werden in moodle zur Verfügung gestellt. |