Kommentar |
Seit einiger Zeit wirft die Geschichtswissenschaft einen anderen Blick auf „Europa“, als sie es lange Zeit getan hat. Das hängt mit dem zunächst von den Postcolonial Studies formulierten Vorwurf des „Eurozentrismus“ ebenso zusammen wie mit der tiefgreifenden methodischen Erneuerung, die der Bereich der „Internationalen Geschichte“ in den vergangenen beiden Jahrzehnten durchlaufen hat. Auch für eine Zeitgeschichte Europas stellt sich damit verstärkt die Frage nach dem Platz „Europas“ in einer sich globalisierenden Welt. Zudem erschöpft sie sich nicht mehr in einer Geschichte der Nationalstaaten und ihrer Beziehungen untereinander, sondern Transfer- und Verflechtungsprozesse rücken in den Mittelpunkt. Schließlich stellt sich die Frage, wie sich west- und ost-, nord- und südeuropäische Geschichte stärker aufeinander beziehen lassen als bisher.
Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich das Vertiefungsseminar mit Traditionen und Narrativen, Ansätzen und Perspektiven einer Zeitgeschichte Europas. Dabei nimmt es ebenfalls eine Reihe von Gesamtdarstellungen näher in den Blick, die in jüngster Zeit in diesem Bereich erschienen sind. Methodische und theoretische Debatten sowie aktuelle Geschichtsschreibung in der Praxis sollen also aufeinander bezogen werden. |
Literatur |
EHQ 40 (2010), 4: Special Issue: Writing European History Today.
Ian Kershaw, Achterbahn. Europa 1950 bis heute, München 2019.
Jörn Leonhard, Comparison, Transfer and Entanglement, or: How to Write Modern European History Today?, in: JMEH 14 (2016), 2, S. 149-163.
Kiran Klaus Patel, Projekt Europa. Eine kritische Geschichte, München 2018.
Lutz Raphael, Jenseits von Kohle und Stahl. Eine Gesellschaftsgeschichte Westeuropas nach dem Boom, Berlin 2019.
Philipp Ther, Die neue Ordnung auf dem alten Kontinent, Berlin 2016. |