Kommentar |
Der Erste Alkibiades ist aufgrund seiner inhaltlichen Gestaltung ein philosophisches Rätsel und gleichzeitig ein literarisches Wunderwerk von beeindruckender Faszinationskraft, dessen Schicksal es ist, die verschiedensten Reaktionen – uneingeschränkte Begeisterung und Skeptizismus, Bewunderung und Abwertung – bei seinen Lesern hervorzurufen: Begeisterung und Bewunderung, welche man in einer Tradition spürt, die sich von den neuplatonischen Kommentatoren bis in die Frühneuzeit erstreckt und die im Ersten Alkibiades den Dialog sah, aus dem sich Platons Denken wie aus einem Keim entfaltet und der deswegen als allgemeine Einführung in die platonischen Philosophie dienen sollte; den Skeptizismus und die Abwertung einer auf Schleiermacher zurückgehenden Richtung der modernen Rezeption dieses Werkes, die eines der deutlichsten Zeichen seiner Unechtheit eben in der Tatsache sieht, dass der Dialog sich auf so viele Kernthemen der platonischen Philosophie bezieht, als hätte der Verfasser möglichst viel davon, was sich als wesentlich platonisch erkennen lässt, andeuten und zusammenfassen wollen. Es gibt tatsächlich viele platonische Leitmotive, die sich in diesem Dialog anhäufen; zwei sind aber besonders auffällig: Die Selbsterkenntnis und das erotische Wesen des Philosophierens und der dialogischen Praxis, in dem sich das Philosophieren – im platonischen Sinne – verwirklicht. Im Seminar werden wir besondere Aufmerksamkeit auf einige Aspekte der Eros-Thematik richten, die im Ersten Alkibiades sowie auch in allen anderen „erotischen“ Dialogen Platons auftreten: Die Reziprozität des philosophischen Eros, die Spannung zwischen körperlicher und geistiger Dimension des erotischen Verlangens sowie auch zwischen äußerlicher und innerlicher Schönheit, die Einheit von Gutem, Wahrem und Schönem, das Sich-im-Anderen-Spiegeln als Dimension des erotischen Erlebnisses und als Bedingung der Selbsterkenntnis. Im Laufe des Seminars werden wir auch die berühmte Alkibiades-Rede des Symposion betrachten und einen Blick auf die moderne Rezeption des Ersten Alkibiades – z.B. auf Foucaults Hermeneutique du sujet – werfen.
Das Seminar wird stark diskussionsorientiert sein und setzt deshalb eine aktive Teilnahme voraus. Es wird erwartet, dass alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Laufe des Semesters zumindest ein Referat halten.
Die Kenntnis der griechischen Sprache ist willkommen, aber nicht erforderlich. Wir werden alle Texte in deutscher Übersetzung lesen, wobei wir in systematischer Weise auf den griechischen Text verweisen werden, um Kernbegriffe zu verdeutlichen und theoretisch relevante textuelle Schwierigkeiten bzw. Unklarheiten zur Sprache zu bringen. |