Kommentar |
Alexander von Humboldt beobachtete auf seinen Reisen allerlei „Menschenunfug, der die Naturordnung stört“. Der Mensch beeinflusse das Ökosystem mit unkontrollierbaren und möglicherweise katastrophalen Folgen. Dass die demographische Entwicklung, der Verbrauch von Ressourcen, die industrielle Produktion und die Verschmutzung der Umwelt als „Regelkreise“ miteinander verbunden sind und „Grenzen des Wachstums“ festlegen, berichtete eine internationale Forschergruppe 1972 an den Club of Rome (Meadows et al. 1972). Die wesentlichen Zusammenhänge des anthropogenen Klimawandels waren – auch durch Forschungen der Energiewirtschaft – in den 1980er Jahren bereits bekannt. Nathaniel Rich bezeichnet die Achtziger als „the decade we almost stopped climate change“ (Rich 2019). Die Zeichnung der Klimarahmenkonvention in Rio 1992 markierte den Beginn eines internationalen Klimaregimes. Dennoch steigen die weltweiten Treibhausgasemissionen bis heute weiter an.
In diesem Seminar beschäftigen wir uns mit verschiedenen Erklärungsansätzen für klimapolitische Möglichkeiten und Probleme. Wir blicken zurück in die Ideengeschichte global-ökologischer Perspektiven. Wir rekapitulieren die wichtigsten Etappen internationaler Klimapolitik – von Rio über Kyoto bis Paris – und besprechen die beobachtbaren Dilemmata der Climate Governance. Wir untersuchen die Struktur des Klimawandels als gesellschaftlichem und politischem Problem: die geringe Salienz des Themas im Wettstreit um öffentliche und politische Aufmerksamkeit, die damit einher gehenden Probleme politischer Kommunikation sowie das Wirken und die Folgen von Lobbyismus. Zuletzt betrachten wir Szenarien sozialer, ökonomischer und politischer Effekte des Klimawandels: Welchen Unterschied machen zwei, drei oder vier Grad Erwärmung? Welche Entwicklungen sind bezüglich der Bewohnbarkeit verschiedener Weltregionen zu erwarten? Welche Konsequenzen drohen für die Landwirtschaft und die Verfügbarkeit von Trinkwasser? Was bedeutet das im Hinblick auf Migrationsbewegungen und Konflikte? |
Literatur |
- Alexander von Humboldt (1870/2014): Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Die Andere Bibliothek, Berlin.
- Dennis L. Meadows et al. (1972): Die Grenzen des Wachstums: Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg.
- Ulrich Beck (1986): Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne. Suhrkamp, Frankfurt a. M.
- Niklas Luhmann (1986): Ökologische Kommunikation: Kann die moderne Gesellschaft sich auf ökologische Gefährdungen einstellen? VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden.
- Harald Welzer (2008): Klimakriege: Wofür im 21. Jahrhundert getötet wird. S. Fischer-Verlag, Frankfurt a. M.
- Achim Brunnengräber, Maria Rosaria di Nucci (2014): Im Hürdenlauf zur Energiewende: Von Transformationen, Reformen und Innovationen. Springer, Wiesbaden.
- Elizabeth Kolbert (2015): Das Sechste Sterben: Wie der Mensch Naturgeschichte schreibt. Suhrkamp, Berlin.
- Andrea Wulf (2016): Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur. Bertelsmann, München.
- Michael E. Mann, Tom Toles (2018): The Madhouse Effect: How Climate Change Denial Is Threatening Our Planet, Destroying Our Politics, and Driving Us Crazy. Columbia University Press, New York.
- Nathaniel Rich (2019): Losing Earth. Rowohlt, Berlin.
- David Wallace-Wells (2019): The Uninhabitable Earth: A Story of the Future. Tim Duggan Books, New York.
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