Kommentar |
Inwiefern Wissenschaft, und gerade eine Humanwissenschaft, objektive (also vom Standpunkt des Betrachters unabhängig gültige) Erkenntnisse über ihren Gegenstand zu produzieren vermag, ob sie dies überhaupt soll, ist nicht nur bei der Geschichtswissenschaft seit jeher ein systematisches theoretisches Problem. In Zeiten von Plagiat, Fake News und der politischen Inanspruchnahme wissenschaftlicher Wahrheitsansprüche wie auch der offensiven politischen Parteilichkeit von Wissenschaftlern und Wissenschaft (etwa in den postcolonial studies oder in der nationalistischen Geschichtsschreibung nach 1989 in einzelnen Ländern des ehemaligen Ostblocks) ist das Thema aktueller denn je. Dabei muss aber unterschieden werden zwischen Positionen, die eine „Standortbindung“ in einem reflexiven Sinn für unvermeidlich halten und diese in das methodologische Setting einbringen wollen, weil diese einen „Sehepunckt“ (Johann Chladenius) gewährleiste, und zwischen den Positionen, die so etwas wie Objektivität gar nicht für notwendig halten, weil sie der Geschichtswissenschaft (und anderen Wissenschaften) sowieso Parteilichkeit, also einen politischen Auftrag, zur Aufgabe machen. Es ist zu unterscheiden zwischen Faktizität, also der Ermittlung von intersubjektiv anerkannten Tatsachen, und Werturteil, also der wertenden Stellungnahme gegenüber historischen Phänomenen. Die Veranstaltung möchte diesen Fragen historisierend nachgehen, beginnend mit klassischen Texten bis hin zu aktuellen Debatten.
Die Veranstaltung stellt eine Wiederholung vom WS 2018/19 dar, weil damals das Interesse so groß war. Demzufolge sind die Teilnehmer und Teilnehmerinnen dieser ersten Veranstaltung gebeten, sich nicht mehr anzumelden. |
Literatur |
Max Weber, Die ‚Objektivität‘ sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis, in: ders., Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre. Hrsg. von Johannes Winckelmann (1922). Tübingen 19856, 21-100
Max Weber, Der Sinn der »Wertfreiheit« der soziologischen und ökonomischen Wissenschaften, in: ebd., 176-235
Reinhart Koselleck u.a. (Hg.), Objektivität und Parteilichkeit in der Geschichtswissenschaft, München 1977 |