Kommentar |
Spätestens seit Virginia Woolfs Essay „A room of one‘s own“ (1929) ist deutlich, dass das Schreiben als Kulturtechnik auf entscheidende Weise durch die Kategorie Gender strukturiert ist. Anhand der Frage, ob Shakespeares Schwester (hätte er eine gehabt) eine erfolgreiche Autorin geworden wäre, arbeitet Woolf heraus, dass das Schreiben an einen eigenen Raum, an Rückzugsmöglichkeiten und (u.a. zeitliche) Ressourcen gebunden ist. Eine solche Perspektive macht deutlich, dass das Schreiben von unterschiedlichen Faktoren abhängt – Raum und Zeit, Medium und Materialität, Körperlichkeit und Sprache(n), Auditorien und Leser*innenerwartungen –, die wiederum geschlechtlich kodiert sind. Der Begriff der „Schreibszene“ ermöglicht es, über das Zusammenspiel dieser Faktoren und ihre historischen Bedingungen nachzudenken. Im Zentrum des Seminars stehen literarische und ethnographische Texte, weil in ihnen die Bedingungen des eigenen Schreibens häufig thematisiert werden. Literarische Beispiele reichen von Sophie von La Roche („Mein Schreibetisch“) über Gottfried Keller („Die missbrauchten Liebesbriefe“) und Marina Zwetajewa („Mein Schreibtisch“) bis Elfriede Jelinek („Textflächen“). Ethnographische Texte adressieren eher die Macht von Konventionen, das Grenzgebiet von Fiktion und Ethnographie, die (Un-)Möglichkeit der (Re-)Präsentation. Schreibszenen unterschiedlicher Genres (Prosa, Lyrik, Reisebericht, Poetikvorlesung, Feldtagebücher u.a.) sollen aus intersektionaler Genderperspektive analysiert sowie auf ihre (oft eigensinnigen) Komponenten, auf das Unbeachtete und Ungesagte hin untersucht werden. Von Bedeutung sind dabei Tisch und Schreibwerkzeug, Blicke und Schreibgesten, Adressat*innen und Schreibanlässe, Schreibumgebungen und Lektüren, Machtverhältnisse und Autor*schaftsdiskurse.
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