Kommentar |
Indem viele heutige Kulturtheorien ihre historischen Hintergründe in (speziell deutschen) Wissenschaftsfeldern des ausgehenden 19. Jahrhunderts finden wie etwa in der Völkerpsychologie, Anthropologie oder Psychoanalyse bekennen sie sich sowohl zu (in ambivalentem Sinne) aufgeklärten, wie auch zu erkenntniskritischen Theoriehorizonten. Dabei werden manche dieser früheren Konzepte als Wegbereiter poststrukturalistischer oder gar postkolonialer Wissenschaftstheorie verstanden.
In einer den selbstreflexiven Methoden dieses Wissenschaftsfeldes angemessenen ‚Nabelschau‘ sollen in diesem Seminar Arbeiten viel zitierter Autoren wie Simmel, Weber, Cassirer oder Benjamin in ihre jeweiligen historischen Kontexte eingeordnet werden und auf ihre Vorstellungen von Wissensgenese und Differenz hin befragt werden. Dazu eignen sich Sekundärliteraturen aus Gender Studies und postkolonialer Theorie, es wird also mit den Originaltexten und Sekundärtexten gearbeitet. Jüngere, gern als eben ‚poststrukturalistisch‘ bezeichnete Arbeiten, ebenso wie spätere ‚materialistische‘ Arbeiten zu gesellschaftlichen, symbolischen- und Wissensordnungen werden auf ihre Alternativkonzepte befragt und durchgehend die Frage verfolgt: Welche Kategorien werden in den unterschiedlichen Konstruktionen des Menschlichen auf welche Weise verbunden, welche verworfen? Von dieser Basis der Geschichte der Kulturtheorie ausgehend werden aktuelle, insbesondere gendertheoretische Konzepte von Wissensgenese diskutiert, sowie die darin enthaltenen Verschiebungen im Interesse an Differenz diskutiert. Hierzu gehören Herausforderungen der Natur-Kultur-Unterscheidung ebenso wie Theorien der Interdependenz oder die etwa von Donna Haraway neu und radikal formulierte Frage nach der Mensch-Tier-Grenze. Schließlich sollen die erarbeiteten Kriterien und Alternativmodelle darauf befragt werden, was sie für die eigene wissenschaftliche Methodik bedeuten können. |