Kommentar |
Die in den letzten Jahren zu beobachtende Tendenz, die eindimensionale, noch immer stark westlich geprägte Geschichte des (Post)Modernismus in Frage zu stellen und vermehrt auch osteuropäische Positionen zu berücksichtigen (multiple Modernisms), erweist sich bei näherer Betrachtung nach wie vor als recht schwach ausgeprägt. Dies ist nicht zuletzt auch auf sprachliche Hegemonien zurückzuführen. Ein gutes Beispiel hierfür stellt die tschechoslowakische Kunst von 1960 bis 1990 dar: Obgleich diese eigenständige Kunstrichtungen, aber auch grundlegende Beiträge zu internationalen Bewegungen entwickelte, sind diese Positionen wenig bekannt und werden in der Literatur, wenn überhaupt, nur am Rande diskutiert. Auch wird dabei häufig außer Acht gelassen, wie eng die gegenseitige Befruchtung von bildender Kunst, Film, Literatur und Philosophie war und wie intensiv sich trotz aller Widrigkeiten der Austausch mit Positionen aus dem Westen gestaltete.
Bestreben des Seminars ist es, sich in der gemeinsamen Diskussion mit spezifischen Positionen der tschechoslowakischen Kunst auseinanderzusetzen, diese in einen internationalen Kontext einzubetten und dabei übergeordnete Fragen zur Sprache zu bringen, die insbesondere für die Gegenwart relevant sind: Wie ist das Verhältnis von Kunst, Konflikt und Widerstand einzuschätzen? Welche Veränderungen zieht die Erfahrung der Exklusion sowie der (inneren und äußeren) Migration für das Kunstschaffen und Philosophieren nach sich? Wie gestaltet sich die Relation von Rückzug und Aktion, von Untergrund und Kritik am offiziellen Diskurs? Die Fülle der künstlerischen Ansätze verlangt hier eine exemplarische Auseinandersetzung. Die Auswahl der Positionen, die im Seminar angesprochen werden sollen, zentriert sich daher um die Ideen des Informellen, des (experimentellen und feministischen) Films, der Fotografie, verschiedener Ausprägungen der Land und Body Art, widmet sich aber punktuell auch der Philosophie und der Literatur. So werden wir im Seminar etwa zentrale Passagen aus Schriften von Jan Patočka lesen und untersuchen, inwiefern Kunst und Philosophie als transformative, disruptive und widerständige Praktiken verstanden wurden, die – so Patočka – Räume der (Denk)Freiheit eröffnen.
Begleitend zum Seminar besteht die Möglichkeit an der gleichnamigen Exkursion (LV-Nr. 533665 ) zum Ende der Vorlesungszeit teilzunehmen. |