Kommentar |
Überleben durchkreuzt den Gegensatz von Leben und Tod. Es kann bedeuten, fortfahren zu leben, selbst unter schwierigsten Bedingungen; es kann heißen, den Tod zu überleben, wie ein Kind den Tod seiner Eltern oder das Zeugnis seinen Zeugen überlebt. Der unbedingte Wille, Zeugnis abzulegen, kann zum treibenden Motiv des Überlebens werden, wie Primo Levi in seinem autobiographischen Bericht über Auschwitz-Monowitz III betont. In Extremsituationen der Verfolgung, der Internierung, der Folter und der destruktiven Zwangsarbeit kann Überleben selbst widerständig sein. Widerständiges Überleben kann einhergehen mit der Schaffung neuer Wahrnehmungs- und Schreibformen, mit aisthetischen Erfahrungen, ästhetischen Praktiken, zumal mit einer „bleibenden“ menschlichen Gemeinschaft. Mit Schwerpunkten auf die Shoah und das Gefangenenlager Guantánamo Bay sollen Zeugnisse und Erinnerungsliteratur Überlebender auf ihre politische und aisthetische Widerständigkeit hin untersucht (Ruth Klüger, Robert Antelme, Murat Kurnaz, Mohamedou Ould Slahi u.a.) und theoretisch reflektiert werden (Georges Didi-Huberman, Jacques Derrida, Joseph Pugliese).
Teilnahmebedingung: Erstellung eines Sitzungsprotokolls, Mitwirkung in einer Expert*innengruppe zur Erarbeitung von Diskussionsfragen für eine Sitzung.
|
Literatur |
Didi-Huberman, Georges (2012/2009): Überleben der Glühwürmchen. Aus dem Französischen von Markus Sedlaczek. München: Fink.
Derrida, Jacques (2005): Leben ist Überleben. Aus dem Französischen von Markus Sedlaczek. Wien: Passagen.
Klüger, Ruth (2016/1992): weiter leben. Eine Jugend. München: dtv.
Kurnaz, Murat mit Kuhn, Helmut (2007): Fünf Jahres Meines Lebens. Berlin: Rowohlt.
Levi, Primo (1992): Ist das ein Mensch? Aus dem Italienischen von Heinz Riedt, München: dtv. |