Kommentar |
Der systematische Ausschluss jüdischer Denker_innen und jüdischen Denkens aus den Universitäten in Deutschland, der sich institutionell in Form des Antisemitismusstreits an der Berliner Universität (1879–1881) manifestierte, hat sich gewissermaßen durch die Ironie der Geschichte in einen Segen verwandelt. Da man nicht für die nationale Mehrheit „taugte“ und marginalisiert war, entstand parallel eine kreative Bewegung alternativen Wissens. Aus dieser gingen einige der bedeutendsten Beiträge der als deutsche Geistesgeschichte gültige Kanon hervor – sowie ein großer Teil des theoretischen Backgrounds des Faches Kulturwissenschaft.
Diese Geschichte der Kulturwissenschaft ist eine der Grenzgängerin, des Marginalen, der Spuren, der Ausnahmen und Details, der Indizien und Mikrogeschichte. Auch des anderen Denkens, der Isolation, der Verbrennung und des Exils, des Zuhörens des Echos der Vergangenheit sowie des elliptischen Verstehens von etwas, das nicht da, aber trotzdem spürbar ist.
Das Seminar wird Klassiker_innen der Kulturwissenschaft (u.a. Sigmund Freud, Georg Simmel, Aby Warburg, Walter Benjamin, Vilém Flusser, Hannah Arendt) in Hinblick auf „ihr“ Judentum, ihre Biographien und ihr Denken deuten – um dadurch einen erinnernden und unerwarteten Blick auf das Fach vorzuschlagen.
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