Kommentar |
Eine Krise der Reproduzierbarkeit von wissenschaftlichen Forschungsergebnissen wurde ausgerufen. Öffentlichkeitswirksam wurden in den letzten Jahren bspw. in der Ökonomie, der Sozialpsychologie oder der Medizin wichtige Befunde und Experimente darauf hin überprüft, ob sie sich reproduzieren lassen. Die Überraschung über den teilweise sehr geringen Erfolg solcher Replikationsversuche, wurde vielerorts als Krise oder gar als Skandal gedeutet. Als Folge davon finden sich nun in vielen Disziplinen Debatten über minimale Qualitätsstandards von Forschung und teilweise emphatische Aufrufe zur Verbesserung der Reproduzierbarkeit von Studien.
Aus der Perspektive der Wissenschaftsforschung kann der „geringe“ Erfolg von Replikationsversuchen nicht überraschen. Dass Replizierbarkeit einerseits oft nur mit unverhältnismässig grossem Aufwand sichergestellt werden kann und dass sie andererseits nur ein Qualitätsstandard unter vielen darstellt, ist wohlbekannt. Aufschlussreicher ist die Frage, wie verschiedene Disziplinen ihre eigenen Qualitätsstandards diskutieren und regulieren. Erkennbar grosse Unterschiede gibt es schon nur darin, dass Reproduzierbarkeit in bestimmten Feldern als „Goldstandard“ bezeichnet wird, während dieser Standard in anderen Feldern kategorisch als irrelevant abgelehnt wird.
Wir lesen und diskutieren im Seminar gemeinsam Texte, die einerseits dem Thema der Reproduzierbarkeit nachgehen. Dazu schauen wir uns konkrete Replikationsversuche an und fragen ob es in anderen Diszplinen ähnliche Versuche gibt, die vielleicht nicht auf Reproduzierbarkeit aber auf intersubjektive Nachvollziehbarkeit als Standard zielen. Andererseits lesen wir Texte, die beschreiben, wie verschiedene Disziplinen die Qualitätsstandards im eigenen Fach thematisieren und regulieren. Eine explizite Methodenlehre oder regelmässige Krisendiskurse über das eigene Fach sind bspw. in den Sozialwissenschaften weit verbreitet. Versuche allgemeine und sogar extern kontrollierbare Standards zu etablieren, finden sich bspw. bei klinischen Studien in der Medizin, bis hin zu ISO Zertifizierungen. Die Vielfalt von Standards und Formen der Sicherung dieser Standards ist auffällig und wird uns als Frage nach den Gemeinsamkeiten von Qualitätsvorstellungen in der Wissenschaft über das Semester begleiten. |
Literatur |
Zur Orientierung für die Debatten um Reproduzierbarkeit kann folgendes Handbuch dienen:
Atmanspacher, H., & Maasen, S. (Hrsg.). (2016). Reproducibility: Principles, Problems, Practices, and Prospects. Hoboken, NJ: Wiley.
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