Kommentar |
Die voranschreitende Digitalisierung in allen möglichen gesellschaftlichen Teilbereichen bringt auch neue Möglichkeiten mit sich, Daten über das Handeln von Personen und Organisationen zu generieren und auszuwerten. Unter dem Stichwort „digitale Infrastruktur“ haben sich die Science and Technology Studies bereits in den 1990er Jahren mit diesem Phänomen beschäftigt, das im Zuge einer immer umfassenderen Digitalisierung der Arbeitswelt zunehmend an Relevanz gewinnt. Denn digitale Infrastrukturen werden zwar dafür eingesetzt, um Prozesse zu vereinfachen, Abläufe zu optimieren und unterschiedliche Datenquellen miteinander zu vernetzen. Sie sind jedoch keine passiven Optimierungswerkzeuge zur Durchführung konkreter Aufgaben und Ziele. Als soziotechnische Systeme gestalten sie vielmehr selbst das mit, wozu sie eingesetzt werden. Einerseits sind in sie bereits bestimmte Problem- und Lösungsdefinitionen, Wertvorstellungen und politische Hierarchien eingeschrieben, die in ihren Herstellungskontexten als relevant und richtig erachtet werden. Andererseits beeinflussen die durch sie gegebenen technischen Möglichkeiten auch die Datenproduktion, -auswertung und -vernetzung. Damit greifen sie erstens in bestehende Arbeitsprozesse ein und machen neue Praktiken im Umgang mit diesen Infrastrukturen erforderlich. Zweitens werfen sie die Frage auf, welche Daten sowohl gezielt in den Prozessen als auch als Metadaten gleichzeitig über die Prozesse selbst erhoben werden. Und drittens stellt sich die Frage danach, wie und auch wofür diese Daten genutzt bzw. ausgewertet werden.
In dem Seminar lesen und diskutieren wir erstens einschlägige theoretische Lektüre zu Fragen der Digitalisierung, Algorithmisierung und Datafizierung. Zweitens wollen wir insbesondere am Beispiel der Wissenschaft untersuchen, wie sich neue Formen der Datenproduktion und -nutzung sowohl auf das Wissenschaftssystem als auch auf die Forschungspraxis auswirken. |