Kommentar |
Das SE führt ein in das Werk des österreichischen Romanautors (und hauptberuflichen Versicherungsmathematikers) Leo Perutz (1882–1957), der in den 1920er und -30er Jahren eine Reihe von Bestsellern landen konnte, der nach dem Zweiten Weltkrieg und seinem Exil in Israel allerdings zusehends in Vergessenheit geriet und erst seit den 1980er Jahren zaghaft wiederentdeckt wird. Perutz macht in den meisten seiner Texte unverhohlene Anleihen bei 'trivialen' Genres wie dem historischen Roman oder dem Abenteuerroman, zugleich bestechen diese jedoch über höchst subtile Kompositionsprinzipien. Spannungsaufbau und literarisches Formbewusstsein gehen in seinen Romanen damit eine beeindruckende Liaison ein, deren Implikationen im Zentrum der Seminardiskussion stehen werden. Von besonderem Interesse sind die Techniken, mit denen Perutz bestimmte Erwartungshaltungen der Leser sowohl bedient als auch torpediert und ihr Einfluss auf das Verstehen der jeweiligen Texte. In diesem Sinn eignet sich sein Werk hervorragend zur Vermittlung wesentlicher Voraussetzungen einer genuin literaturwissenschaftlichen Hermeneutik. Daneben und damit einhergehend werden wir uns verstärkt auch mit den zeit-, kultur- und religionsgeschichtlichen Grundlagen des Perutz'schen Werkes beschäftigen, in erster Linie mit den Figuren des Rätsels und der Prophezeiung oder Prophetie. Intensiv lesen werden wir v.a. "Der Marques von Bolibar" (1920), "Der Meister des Jüngsten Tages" (1923), "Der schwedische Reiter" (1936) und die mittlerweile vielfach als Hauptwerk angesehene späte Novellensammlung "Nachts unter der steinernen Brücke" (1953).
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