Kommentar |
Kulturgeschichte präsentiert sich in Gestalt von Repräsentationen, die eng mit nationaler Geschichtsschreibung bzw. -imagination und Erinnerungsdiskursen verbunden sind. An was und wie erinnern sich Individuen und Kollektive? Welche medialen (spielerischen) Formen gibt es, Erinnerungen an die Vergangenheit zu reaktivieren? Wie kann durch Re-Enactments Geschichte auf der Ebene des Spiels stellvertretend wiederholt und simuliert werden? Wie oszillieren Re-Enactments und Living History -Projekte zwischen scheinbar authentischer Reproduktion des Vergangenen, Wiedererleben, Authentizitätseffekten und theatraler Neuinszenierung? Mithilfe welcher narrativen oder filmischen Strategien kann Erlebtes nachgestellt oder retrospektiv ausagiert werden? Wie verändert sich dabei die Wahrnehmung der historischen Referenzsituationen? Welche Zukunftsvisionen werden hierbei generiert? Welche Publikumsarten werden adressiert oder ausgeladen? Welche Rolle spielen affektiv-emotionale Rahmungen in der Art und Weise, wie Geschichte/n erinnert werden? Wie ist die Funktion der Zeugenschaft verbunden mit Gendercodes und anderen Kategorien wie race und class?
Um sich diesen Fragen anzunähern, werden kultur- und medientheoretische, geschichtswissenschaftliche sowie psychoanalytische Texte von Elisabeth Bronfen, Judith Butler, Cathy Caruth, Robin George Collingwood, Elisabeth Cowie, Thomas Elsaesser, Sigmund Freud, Dominick LaCapra, Trinh T. Minh-ha und Alison Landsberg gelesen und diskutiert. Bei dem historisch-kulturwissenschaftlichen Studium der oben genannten Fragen auftauchende abstrakte Gedanken können im Seminar in filmische Kompositionen umgesetzt werden: Wie werden komplexe inhaltliche Konzepte filmästhetisch umgearbeitet werden? Welche filmsprachlichen Codes eignen sich für die Darstellung theoretischer Figurationen, die eng mit dem Schriftmedium verbunden scheinen? Inwiefern funktionieren filmische Repräsentationen als Produkte akademischer Expression? Welche neuen Fragen und epistemischen Ebenen ergeben sich durch den audiovisuellen Umsetzungsversuch?
Das Seminar kann klassisch mit dem Herstellen einer Seminararbeit bzw. der Verschriftlichung eines Referats abgeschlossen werden. Interessierte Teilnehmer/innen können stattdessen aber auch in Kleingruppen zum Themenkomplex Geschichte, Erinnerung, Re-Enactment eigene Dokumentarfilmprojekte erarbeiten und diese realisieren. In Teamarbeit werden zunächst konkrete Filmthemen, Archivbilder und Interviewpartner/innen recherchiert sowie inhaltlich-ästhetische Konzepte entwickelt – mit dem Ziel, sie in ein Treatment zu fassen. Anschließend wird das Filmmaterial in den Semesterferien gedreht und zu fertigen Dokumentarfilmen (6-15 min.) zusammengeschnitten (Extratermine in Kooperation mit dem Medieninnovationszentrum Babelsberg für die Einführung in Beitragsgestaltung, Kameratechnik, Schnitt/Postproduktion und Studioproduktion: 10.12.15, 19.-20.2.16, 17.-19.3.16, ggf. 7.4.16). Die fertigen Filme werden in einer Abschlussveranstaltung präsentiert und diskutiert.
Flankierend hierzu werden im Seminar dokumentarfilmtheoretische und filmpraktische Texte bereitgestellt, ausgewählte Dokumentarfilme angeschaut, Expert/innen eingeladen, Informationen und Pragmatisches ausgetauscht und Zwischenergebnisse vorgestellt und debattiert. |