Kommentar |
Ein Gespenst geht um in Deutschland – das Gespenst des Postkolonialismus. Lange Zeit waren postkoloniale Theorien, Ansätze und Diskussionen hierzulande höchstens in akademischen und teilweise in aktivistischen Zirkeln anzutreffen. Unter „Postkolonialismus“ verstand man vor allem eine an den angelsächsischen Universitäten in den 1980er und 1990er Jahren entwickelte Theorieströmung, die in verschiedenen Fachdisziplinen Fuß fasste und neue Forschungsperspektiven ermöglichte. Seit einiger Zeit hat sich das radikal gewandelt. Heutzutage finden sich postkoloniale Themen und Debatten im Zentrum der politischen Öffentlichkeit, was eine neue gesellschaftliche Aufmerksamkeit für das Erbe (und die Kontinuitäten) des Kolonialismus erzeugt, gleichzeitig aber auch die verschiedensten Gegner und Kritiker hervorholt. „Der“ Postkolonialismus ist, obwohl diesen Singular kaum geben mag, längst zu einem politischen Kampfbegriff geworden. Im Seminar wollen wir uns auf diese Politisierung des Postkolonialismus als Gegenwartsphänomen konzentrieren (und uns fragen, wie es dazu kommen konnte). Dafür werden wir uns zum einen zentrale Debatten (Mbembe, Historikerstreit 2.0, Humboldt-Forum) vergegenwärtigen. Zum anderen wollen wir aber auch neuere Ansätze und Publikationen diskutieren, die konstruktiv postkoloniale Perspektiven zu erweitern versuchen beziehungsweise kritisch hinterfragen. |