In den öffentlichen Debatten um Gewaltdarstellungen, Nacktheit, Hassrede oder Klimakleber werden derzeit Zensurvorwürfe immer lauter: Soziale Medien wie Meta oder TikTok regulierten jahrelang massiv ihre Inhalte, was Effekte von Zensur für die Netzgemeinschaft mit sich brachte. Jüngst reduzierten digitale Plattformen (z.B. X) jedoch in einer geradezu gegenteiligen Logik ihre Content Moderation, um das Recht auf freie Meinungsäußerung in einer polarisierten Debattenkultur zu instrumentalisieren und europarechtliche Regulierungen, wie den Digital Services Act, als Zensurinstrumente zu diskreditieren.
Auch im Bereich der kuratorischen Praxis, der Aktivität von Journalist:innen oder Künstler:innen werden Praktiken des Bild- und Redeverbots seit längerem diskutiert (Bsp. Balthus), welche die Begriffe von Zensur und Regulation in der Öffentlichkeit neu sortieren. Die Eindämmung des Sag- oder Zeigbaren kann hier auf zwei Arten auftreten: Zum einen als Zensur, welche die Praktizierenden (z.B. Künstler:innen/Sprecher:innen/Kurator:innen) selbst vornehmen; sei es bewusst als künstlerisches Mittel, um bestimmte Fokussierungen oder Aussagen zu untermauern; sei es als Schutzmechanismus, um bestimmten Zensurvorgaben oder -mechanismen zu entsprechen. Zum anderen können Bild- und Redeverbote Ausdruck einer Exekutive sein, die Zensur ausübt, und damit direkt die Meinungs- und Berufsfreiheit einschränkt.
Die praxisorientierte Übung wird sowohl einen historisch-systematischen Blick auf die Begriffe von Öffentlichkeit und Zensur werfen, als auch auf die spezifisch materiellen Praktiken ihrer kontextabhängigen Umsetzung: Blurring-Effekte, schwarze Balken, Überblendungen und Übermalungen reichen tief in die Debattengeschichte von Inhaltsregulierung hinein und bilden gleichzeitig eine Kultur von Löschvorgängen und Schwärzungen aus, die uns tagtäglich begleitet und sich stetig transformiert. Der Kunstraum nimmt hinsichtlich des Umgangs, der Rahmensetzung oder Ausweitung des Sag- und Zeigbaren eine Sonderstellung ein: er kann als Experimentierfeld verstanden werden, durch das Praktiken der Zensur umgangen, erweitert, überschrieben oder auch eingefordert werden.
Die Übung wird von Katja Müller-Helle (Forschungsstelle Das Technische Bild, Institut für Kunst- und Bildgeschichte) und Alia Rayyan (Lehrbereich Theorie und Praxis des Kuratierens, Institut für Kulturtechnik) angeboten und findet an vier Blockterminen im Objektlabor des ZfK statt.
Frimmel, Sandra/Mara Traumane (Hg.) (2018): Kunst vor Gericht. Ästhetische Debatten im Gerichtssaal. Berlin: Matthes & Seitz.
Müller-Helle, Katja (2022): Bildzensur. Infrastrukturen der Löschung, Reihe Digitale Bildkulturen, Berlin: Wagenbach.
Rauterberg, Hanno (2018): Wie frei ist die Kunst? Der neue Kulturkampf und die Krise des Liberalismus. Berlin: Suhrkamp 2018.
Roßbach, Nikola (Hg.) (2024): Zensur. Handbuch für Wissenschaft und Studium, Baden-Baden: Nomos Verlag 2024.
Einführung: Montag, 28.04.2025, 14-16 Uhr
Blocktermine:
Freitag, 23.05.2025, 10-18 Uhr
Freitag, 13.06.2025, 10-18 Uhr
Freitag, 11.07.2025, 10-18 Uhr
Samstag, 12.07.2025, 10-18 Uhr
Ort: Objektlabor, Hermann von Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik, Campus Nord – Haus 3, Philippstr. 13, 10115 Berlin
Hausarbeit
Die Veranstaltung wurde 2 mal im Vorlesungsverzeichnis SoSe 2025 gefunden: