Kommentar |
Der Regisseur D.W. Griffith sinniert zu Beginn des 20. Jahrhunderts über die kommenden Möglichkeiten des Mediums Film, Geschichte vor Augen zu stellen:
„Imagine a public library of the near future, for instance. […] Suppose you wish to ‘read up’ on a certain episode in Napoleon’s life. Instead of consulting all the authorities, wading laboriously through a host of books, and ending bewildered, without a clear idea of exactly what did happen and confused at every point by conflicting opinions about what did happen, you will merely seat yourself at a properly adjusted window, in a scientifically prepared room, press the button, and actually see what happened. There will be no opinions expressed. You will be present at the making of history. All the work of writing, revising, collating, and reproducing will have been carefully attended to by a corps of recognized experts, and you will have received a vivid and complete expression.” (D.W. Griffith: Some prophecies, zit. nach: A Companion to the Historical Film, hrsg. von Robert A. Rosenstone und Constantin Parvulescu, Chichester, West Sussex 2013, S. 5)
Griffiths Prophezeiung hat sich insofern eingelöst, als dass historische Ereignisse vielfach in Bewegtbilder übersetzt worden sind und jene Geschichtsbilder ausgeprägt haben. Ob die in Bewegtbildern imaginierte Geschichte indes keine „Meinung“ sei, muss in Frage gestellt werden. Während die Geschichtswissenschaft das Bewegtbild, und auch den Spielfilm, immer mehr als Quelle begreift, eröffnet zeitlicher Abstand zwischen dargestellter Zeit und Zeit der Darstellung ein großes Projektionspotential. Die Imaginationen des Mittelalters in Bewegtbilder sind daher häufig weniger Zeugnis ihres Dargestellten als der politischen Systeme und gesellschaftlichen Ideale ihrer Produktionszeit, sowie filmische Produkte ihre jeweiligen Genrekonventionen.
Das Seminar wird sich filmischen Konstruktionen historischer Ereignisse und Zeitschnitte der Vormoderne zuwenden und ihre Verbildlichungen in Bewegtbildern aus unterschiedlichen Produktionskontexten und -zeiten analysieren sowie auf ihre Projektionen befragen. |