Kommentar |
Museumsobjekte sind in fortlaufende Prozesse des Erhalts eingebunden: Klimatische Bedingungen werden geprüft und angepasst, Lux-Zahlen reduziert, Silberfische gefangen und oxidierte Oberflächen poliert, um die Kategorie des augenscheinlich unveränderlichen Museumsobjekts aufrecht zu erhalten. So entsteht für viele Besucher:innen der Eindruck, Museumsobjekten und ihren Materialien seien "inaktiv, stagnierend und passiv [...], den hygienischen Anordnungen der Museumsvitrinen untergeordnet" (Hölling/Bewer/Ammann 2019, S. 2). Dabei befinden sich die Materialien von Objekten stetig in einem Zustand der Aktivität: Firnis wird rissig, Holz dehnt sich aus und Kunststoff wird spröde. Teams von Restaurator:innen befassen sich damit, den Zerfall von Material zu verlangsamen und tragen damit zum Eindruck von Zeitlosigkeit im musealen Raum bei.
Das Seminar befasst sich mit Prozessen des Zerfalls von Kunstwerken, Dokumenten und Artefakten sowie Infrastrukturen des Erhalts in unterschiedlichen Museen zwischen Depot, Restaurierungswerkstatt und Ausstellungsraum. Das Seminar nimmt die Agency von musealem Material in den Fokus und rekonzeptualisiert das Museum als Ort materieller Transformationsprozesse. Restaurierung als Disziplin und Praxis – damals und heute – steht dabei im Zentrum. Inspiriert durch Fernando Domínguez Rubios Verständnis von Museumssammlungen „as collections of processes rather than as collections of ‘objects’“, zielt dieses Seminar darauf ab, die vorherrschende „illusion of fixity and timelessness" (Rubio 2014, S. 621) zu hinterfragen.
Anhand einschlägiger Literatur sowie Besuche in Restaurierungswerkstätten in und um Berlin beschäftigen wir uns mit jenen Infrastrukturen, die für den Erhalt von musealem Material notwendig sind. Wie werden Objekte erhalten? Aber auch: Warum? Was passiert, wenn Praktiken des Erhalts fehlschlagen und das Objekt zerfällt? Welches Material wird bewahrt und welches nicht? Welche Unterschiede gibt es zwischen verschiedenen Museumsgattungen? |
Literatur |
Arndt, Lotte: Poisonous Heritage: Chemical Conservation, Monitored Collections, and the Threshold of Ethnological Museums, in: Museum & Society, Vol. 20, Nr. 2 (November 2022), S. 282-301. Bäschlin, Nathalie: Fragile Werte. Diskurs und Praxis der Restaurierungswissenschaften 1913-2014, Bielefeld 2020. DeSilvey, Caitlin: Curated Decay. Heritage beyond Saving, University of Minnesota Press, Minneapolis 2017. Domínguez Rubio, Fernando: Still Life. Ecologies of the Modern Imagination at the Art Museum, Chicago 2020. Domínguez Rubio, Fernando: Preserving the unpreservable: docile and unruly objects at MoMA, in: Theory and Society, Vol. 43, No. 6, p. 617-645. Hölling, Hanna B./Bewer, Francesca G./Ammann, Katharina (eds.): The Explicit Material. Inquries on the Intersection of Curatorial and Conservation Cultures, Leiden 2019. Miller, Peter N./Poh, Soon Kai (Hrsg.): Conserving Active Matter, New York 2022. Oakley, Peter: A Permanent State of Decay: Contrived Dereliction at Heritage Mining Sites, In: Orange, Hilary: Reanimating Industrial Spaces: Conducting Memory Work in Post-industrial Societies, 2015, S. 49-71. |