Kommentar |
Wer kennt sie nicht, die Edda von Snorri Sturluson, die Landnámabók von Sturla Þórðarson oder Úlfr Uggasons Húsdrápa? Dies sind nur einige der Texte, von denen gesagt wird, dass sie auf Autoren und damit auf namentlich genannte, quasi-historische (immer nur maskuline) Urheberinstanzen zurückgehen, die den jeweiligen Text konzipiert und somit auch autorisiert haben soll. Wie kommt es dazu, dass wir Autoren einer Literatur zu kennen glauben, die von der Forschung doch grundsätzlich als anonym verschriftlicht angesehen wird? Wieso haben wir denn, wenn doch ein Autor bekannt sein sollte, weder bekannte Autographe noch singuläre Versionen dieser Texte?
Anhand ausgewählter Beispiele aus der altnordisch-isländischen Literatur diskutieren wir die zurzeit in vielen philologischen Fachbereichen wieder hoch aktuelle Frage nach vormodernen Autorkonzepten. Dabei werden wir uns unter anderem mit folgenden Fragen auseinandersetzen: Welchen Einfluss hat eine solche Autorenbezogenheit auf die Rezeption der besagten Texte im Speziellen und auf die altnordisch-isländische Literatur im Allgemeinen? Welche Denkmodelle liegen dieser Autorbezogenheit zu Grunde? Wie gehen die einzelnen Textzeugen und Varianten mit dieser Autorfrage um? Und welchen Mehrwert hat es, wenn wir von einer namentlich bekannten Autorschaft ausgehen?
Über diese und weitere theoretische Fragestellungen und anhand der Texte und Textzeugen werden wir versuchen, uns einem spezifisch vormodernen Autorkonzept der altnordisch-isländischen Literatur zu nähern, das vom effektiv vorhandenen materiellen Textträger ausgeht und so einen historischen Zugang zum Thema bietet.
|