Kommentar |
Lass uns spielen, schreibt Jindřich Honzl im Jahr 1924. Der tschechische Regisseur und Theatertheoretiker der Avantgarde erklärt den erfinderischen Geist des spielenden Kindes zum Vorbild des modernen Künstlers; die Kindheit nähert ihm am meisten jenen Orten „tagtäglicher Erfindungen und ununterbrochener Improvisationen“, an denen Kunst entstehen soll. Im Seminar werden wir anhand von programmatischen, theoretischen und literarischen Texten untersuchen, wie sich die Auffassungen darüber, was künstlerisches Schaffen und Kindheit verbindet, im Laufe des 20. Jahrhunderts verändern. Ausgehend von grundlegenden Kindheitstexten wie Walter Benjamins Berliner Kindheit um Neunzehnhundert und Marcel Prousts Auf der Suche nach der verlorenen Zeit werden wir das Repertoire an Kindheitsmythen und -tropen (wie z.B. Idylle, Glück, Unschuld, Primitivismus, Nostalgie, Heimat) erforschen und seine Wandlungen von der Avantgarde bis zur Gegenwart verfolgen. Unsere Diskussionen werden dabei um folgende Themenkomplexe kreisen: Kindheit und Erinnerung, kindlicher Blick und Großstadtwahrnehmung, Kriegskindheit und Zeugenschaft, kindliches Erzählen und Gattungsprioritäten, Kindheit und Ideologie. Die zu diskutierenden Textauszüge aus Werken von J. Bator, I. Brežná, B. Ćosić, G. Gospodinov, J. Topol, M. Sova, L. Vaculík liegen auch übersetzt vor und werden zur Verfügung gestellt.
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