Die Vorlesung widmet sich der Entwicklung des Christentums als globales Phänomen zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert. Anstatt seine Entstehung und Verbreitung in einer linearen Erzählung europäischer Expansion und passiver indigener Rezeption zu deuten, betrachten wir die Formierung des Christentums als einen komplexen, dezentralisierten und miteinander verflochtenen Prozess.
Im Zentrum steht die Pluralität christlicher Praktiken und materieller Ausdrucksformen. Die Vorlesung geht der Frage nach, wie sich das Christentum in unterschiedlichen kulturellen, sozialen und geopolitischen Kontexten weltweit herausbildete. Dabei bildet das Konzept der Polyzentrizität den theoretischen Rahmen, um die vielfältigen Kontexte und Konfigurationen christlicher Aktivitäten zu erfassen. Dieses Konzept erlaubt es, nicht nur die Vielzahl unterschiedlicher Geschichten und Erfahrungen zu verstehen, sondern auch die vielfältigen Verbindungen, Verflechtungen und wechselseitigen Abhängigkeiten, die diese miteinander verbinden.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der engen Verflechtung des Christentums mit Imperien, Machtverhältnissen und kolonialen Konstellationen – verstanden sowohl als Einschränkungen als auch als Triebkräfte religiöser Transformation. Diese Kontexte führten zu intensiven Prozessen von Konkurrenz, kreativer Widerständigkeit, Anpassung und Aushandlung – und wurden zugleich von diesen geprägt.
Missionarische Aktivitäten werden im Zusammenhang mit globaler Mobilität, Handelsnetzwerken und institutionellen Strukturen analysiert, ebenso wie in ihrer Interaktion mit lokalen Akteur:innen und kirchlichen Jurisdiktionen. Darüber hinaus wird die Kategorie „Götzendienst“ als zentrales Konzept untersucht, mit dem Missionare indigene Religionen interpretierten. Zugleich beleuchtet der Kurs, wie das Christentum selbst durch Prozesse der Übersetzung, Aneignung und Hybridisierung verändert wurde.
Letztlich lädt die Vorlesung dazu ein, das Christentum nicht als monolithisch zu verstehen, sondern als eine historisch dynamische und innerlich vielfältige Konstellation von Glaubensformen und Praktiken. Zugleich regt sie zur kritischen Reflexion über die Grenzen historiographischer Begriffe und Kategorien an – insbesondere dort, wo sie vom westlichen Perspektiven geprägt sind und auf globale Formen des Christentums angewendet werden. |